Volltext: Der Völkerkrieg Band 1 (1 / 1914)

D i e ersten Kämpfe zur See 
159 
Die kopflose Zerstörung von Hangö erfolgte auf die Nachricht, 40000 Deutsche seien 
im Begriff zu landen. Der Kommandant hatte nur den Befehl, die Mole mit Minen 
gängen zu versehen, um im Notfall rasch eine Sprengung bewerkstelligen zu können. 
Als jene falsche Nachricht kam, soll er gerade betrunken gewesen sein, was den sinnlosen 
Befehl einigermaßen erklären würde. Nachdem das Vernichtungswerk vollbracht war, 
kam er zur Besinnung und erhängte sich. 
Die Zerstörung begann mit der Versenkung des 5600 Tonnen fassenden holländischen 
Frachtdampfers „Alcor". Wie überstürzt das Ganze vor sich ging, schildert ein Reisen 
der, der sich an Bord des „Alcor" befand: „Ein junger Genieoffizier sprang an Bord 
und rief dem Kapitän befehlerisch zu, innerhalb einer halben Stunde müsse alles von 
Bord, persönliches Eigentum könne, soweit die Zeit es gestatte, mitgenommen werden. 
Obgleich der Kapitän auf das Energischste protestierte und auf die Neutralität seines 
Dampfers hinwies, gab der Offizier seinen Matrosen dennoch Befehl, sich nach dem 
hinteren Teil des Schiffes zu begeben. Sieben Matrosen schleppten sieben riesige 
Dyaamitbomben auf den Schultern, während ein achter die Zündschnüre trug. Der 
Offizier erwiderte auf einen nochmaligen Protest schroff: „Tun Sie, was ich Ihnen sage. 
Rußland wird alles bezahlen." Die Besatzung des „Alcor" arbeitete mit der äußersten 
Anstrengung, um möglichst viel Privateigentum von Bord zu schaffen. Inzwischen war 
der Offizier mit den Bombenträgern in den Maschinenraum hinabgestiegen und jagte 
die Maschinisten unter Drohungen hinaus. Der Offizier war ganz außerordentlich auf 
geregt, leichenblaß, klatschte in die Hände und rief: „Höchste Zeit, höchste Zeit!" Nach 
dem Mannschaften und Passagiere an Bord des Hafenbootes gebracht worden waren, 
verließ der Kapitän als letzter mit der holländischen Flagge sein Schiff, worauf der 
russische Offizier, der sich einer gewissen Ergriffenheit nicht erwehren konnte, die hol 
ländische Flagge leicht salutierte. Das Hafenboot fuhr möglichst weit vom „Alcor" weg, 
an dessen Bord als einziger der Offizier zurückblieb, um die Zündschnüre anzuzünden. 
Nach etwa einer Viertelstunde wurde er von einem kleinen Motorboot abgeholt, und 
zehn Minuten später erfolgte die erste Explosion im Kesselraum. Eine riesige Dampf 
wolke stieg empor, und das Schiff sank etwa zwei Meter. Dreiviertel Stunden später 
gab es zwei weitere Explosionen, worauf der „Alcor" sich seitwärts neigte und mit 
großer Schnelligkeit in den Fluten versank. Das war der Beginn der Zerstörung des 
Hangöer Hafens. Mannschaften und Passagiere des „Alcor" wurden schon nach der 
ersten Explosion der Polizei übergeben; sie wurden zuerst auf das Polizeibureau gebracht 
und sollten dann in ein Hotel geschafft werden. Bereits auf dem Wege zum Polizei 
bureau jedoch sahen die Paffagiere, wie ein Riesenkran des Hafens durch Dynamit 
gesprengt wurde. Vom Hotel aus, das eine weite Aussicht bot, beobachteten die Herren, 
wie der ganze Hafen systematisch zerstört wurde." 
2. August. 
Funkentelegramm des kleinen Kreuzers „A u g s b u r g" um 9 Uhr abends „Bombar 
diere den Kriegshafen L i b a u, bin im Gefecht mit feindlichem Kreuzer, habe Minen 
gelegt. Kriegshafen Libau brennt." 
Bericht eines Augenzeugen: „Am Sonntag abend zwischen 8 und 9 Uhr erschien der deutsche 
Kreuzer „Augsburg" auf der Reede von Libau und begann sofort die Beschießung des eine 
Viertelstunde vor der Stadt liegenden, von dieser durch einen Wald getrennten Kriegshafens. 
Auf die Stadt selbst wurde nicht geschossen. Nachdem der Kreuzer die Kriegswerft, die Forts 
und Leuchttürme an den Hafeneinfahrten zusammengeschossen hatte, dampfte er wieder ab." 
Nach ein paar Beobachtungskreuzfahrten kehrte die „Augsburg" wieder zur Flotte 
zurück. Hier erschien an Bord des Kreuzers Prinz Heinrich von Preußen und teilte der 
Mannschaft mit, daß den Kaiser der kecke Handstreich überaus gefreut habe.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.