Volltext: Der Völkerkrieg Band 11 (11 / 1918)

64 Der Handelskrieg bis zum uneingeschränkten Unterseebootskrieg 
hierüber noch besonders, daß der Kommandant des fremden Dampfers seinen Leuten befohlen 
habe, eine Linie an der Reling zu bilden und auf die hilflosen deutschen Matrosen im Wasser zu 
schießen. Hierauf fuhr der Kommandant der „Baralong" breitseits an' die „Nicostan" heran, ließ 
diese festmachen und befahl sodann einigen seiner Leute, auf die „Nicostan" hinüberzugehen und die 
deutschen Matrosen, die sich darauf gerettet hatten, zu suchen. Die Zeugen Palen und Curran be 
kunden dabei, daß der Kommandant ausdrücklich angeordnet habe, „keine Gefangenen zu machen". 
In der Tat wurden auf der „Nicostan" vier deutsche Matrosen im Maschinenraum und im Wellen 
gang aufgefunden und ermordet. Dem Kommandanten des deutschen Unterseebootes gelang es, wie 
die Zeugen übereinstimmend bekunden, nach dem Bug der „Nicosian" zu entkommen. Er sprang 
ins Wasser und schwamm um den Bug des Schiffes herum auf die „Baralong" zu. Die englischen 
Seeleute an Bord der „Nicostan" schossen sofort auf ihn, obwohl er allen sichtbar die Hände zum 
Zeichen, daß er sich ergeben wolle, emporhob, und setzten das Feuer auch fort, nachdem ihn ein 
Schuß anscheinend in den Mund getroffen hatte. Schließlich tötete ihn ein Schuß in den Nacken. 
Vorübergehend wurden dann sämtliche Zeugen an Bord der „Nicosian" zurückbefohlen. Dort 
sahen die Zeugen Palen und Cosby je einen Leichnam eines deutschen Matrosen, während der 
Zeuge Curran, der mit den für die Bergung des Dampfers dringend notwendigen Mannschaften 
an Bord verblieb, sämtliche vier Leichen gesehen hat, die am Nachmittag über Bord geworfen 
wurden. Der Kommandant der „Baralong" ließ die „Nicosian" einige Meilen nach Avonmouth zu 
schleppen und darauf deren bei ihm zurückgebliebene Mannschaft an Bord der „Nicosian" zurück 
bringen; zugleich sendete er einen Brief an den Kapitän der „Nicosian", worin er diesen ersuchte, 
seiner Mannschaft, insbesondere den darunter befindlichen Amerikanern, einzuschärfen, weder bei 
ihrer Ankunft in Liverpool noch bei ihrer Rückkehr nach Amerika etwas über die Angelegenheit ver 
lauten zu lassen. Der Brief, den der Zeuge Curran selbst gelesen hat, war unterzeichnet „Captain 
William McBride, H. M. S. Baralong". Daß der fremde Dampfer „Baralong" hieß, hat auch der 
Zeuge Hightower, während er sich an Bord dieses Schiffes befand, von einem Steward des Dampfers 
erfahren, während der Zeuge Palen bekundet, daß er beim Verlassen dcs fremden Schiffes an 
seinem Bug diesen Namen in schwer lesbaren Buchstaben gelesen habe. 
Die Aussagen der sechs Zeugen werden im wesentlichen von dem 18 Jahre alten Zeugen 
Larimore Holland bestätigt, deffen eidliche Aussage vor dem öffentlichen Notar Frank S. Carden in 
der Grafschaft Hamilton im Staate Tenneffee am 12. Oktober 1915 abgegeben worden ist. Der 
Zeuge, der sich als Heizer auf der „Baralong" befand, hat den unerhörten Vorfall an Bord dieses 
Schiffes miterlebt. Auch nach seinen Angaben hätte die „Baralong" die amerikanische Flagge ge 
setzt und war, von der „Nicostan" gedeckt, auf den Schauplatz zugefahren, wo sie, sobald das Unter 
seeboot sichtbar wurde, daS Feuer auf dieses eröffnete und es so zum Sinken brachte. Er bestätigt 
ferner, daß etwa fünfzehn Leute der Besatzung des Unterseeboots, als dieses sank, über Bord 
sprangen und, teils im Wasser schwimmend, teils beim Versuch, an den Tauen der „Nicosian" 
hinaufzuklettern, von dem Geschütz- und Gewehrfeuer der „Baralong" getötet wurden. Wenn seine 
Aussage in einzelnen Punkten von den übrigen Zeugenaussagen abweicht, so hat das seinen Grund 
offenbar darin, daß er die Vorgänge nur zum Teil selbst gesehen hat, während er andere Vorgänge, 
insbesondere die an Bord der „Nicosian" anscheinend nur vom Hörensagen weiß. 
Auf Grund des vorstehenden Materials kann es keinem Zweifel unterliegen, daß der Kommandant 
des britischen Hilfskreuzers „Baralong", McBride, der ihm unterstellten Mannschaft befahl, hilf-und 
wehrlose deutsche Seeleute nicht zu Gefangenen zu machen, sondern sie feige zu ermorden, sowie 
daß seine Mannschaft den Befehl befolgt und sich dadurch des Mordes mitschuldig gemacht hat. 
Die deutsche Regierung teilt diese furchtbare Tat der britischen Regierung mit und nimmt be 
stimmt an, daß diese, nachdem sie von dem Sachverhalt und den anliegenden Verhandlungen 
Kenntnis genommen hat, unverzüglich den Kommandanten und die beteiligte Mannschaft des Hilfs 
kreuzers „Baralong" wegen Mordes zur Verantwortung ziehen und nach den Kriegsgesetzen be 
strafen wird. Sie erwartet in kürzester Frist eine Aeußerung der britischen Regierung, daß diese 
das Verfahren zur Sühnung des empörenden Vorfalls eingeleitet hat; demnächst erwartet sie eine 
eingehende Aeußerung über das Ergebnis des nach Möglichkeit zu beschleunigenden Verfahrens, um 
sich selbst davon überzeugen zu können, daß die Tat durch eine ihrer Schwere entsprechende Strafe 
geahndet worden ist. Sollte sie sich in ihrer Erwartung täuschen, so würde sie sich zu schwer 
wiegenden Entschließungen wegen Vergeltung des ungesühnten Verbrechens genötigt sehen."
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.