Volltext: Der Völkerkrieg Band 11 (11 / 1918)

294 Die Schweizer. Eidgenossenschaft während des zweiten Kriegsjahres 
Einige Stimmen in der deutschen Schweiz forderten die Deutschschweizer auf, mit dem 
„System der Zurückdrängung des eigenen Empfindens und des Entgegenkommens gegen 
über den Welschen" zu brechen und sich rückhaltlos aus den deutschschweizerischen Stand 
punkt zu stellen. Zu Unrecht fürchteten die romanischen Schweizer das weitere Umsich 
greifen solcher zwiespaltsäenden Ansichten. Einige kleinere Schriften, die sich unter dem 
Titel „Stimmen im Sturm" in durchaus einseitiger Weise mit der Stellung der 
Schweiz zu den Fragen der Gegenwart beschäftigten, wurden auch in der deutschen 
Schweiz abgelehnt und von Bundesrat Hoffmann im Nationalrat entschieden ver 
urteilt. 
Anfangs 1916 wurde in Basel eine „Deutsch-schweizerische Gesellschaft" 
gegründet zur Pflege deutsch-schweizerischer Geistesart; sie betonte jedoch ausdrücklich, 
daß sie die Empfindungen andersdenkender Eidgenossen nicht verletzen wolle. Diese Ge 
sellschaft ließ eine Reihe von Vorirägen halten. Professor Hermann Bächtold 
betonte in einem nachher gedruckten Vortrag über „Die nationalpolitische Krisis in der 
Schweiz und unser Verhältnis zu Deutschland" besonders im Gegensatz zu Konrad Falke, 
der die Einigkeit der Schweiz durch bessere gegenseitige Kenntnis der Kulturen festigen 
möchte, einen stärkeren Staat. „Eine starke Staatsnation müssen wir werden, weil 
wir kein wahrer Nationalstaat sein können." 
Ueber das Verhältnis der Schweiz zu den kriegführenden Mächten 
wurde fortwährend viel gesprochen und viel geschrieben. Es sei einem späteren Kapitel 
vorbehalten, daraus ausführlich zurückzukommen. 
Von der Regierung der Eidgenossenschaft 
Vom Bundesrat 
In der vereinigten Bundes oersammlung vom 16. Dezember 1915 wurde Bundesrat 
Camille Decoppet zum Bundespräsidenten für das Jahr 1916 gewählt. 
Camille Decoppet gehörte seit Juli 1912 dem schweizerischen Bundesrat an und ist Waadt 
länder, Bürger von Suscävaz und Averdon, geboren 1862. Er studierte in Lausanne Staatswissen 
schaft und Philosophie, wurde 1886 Lizenziat der Rechte, arbeitete dann als Anwalt und wurde als 
Achlundzwanzigjähriger Generalstaatsanwalt des Kantons Waadt. Von 1897 bis 1901 saß er im 
Großen Rat seines Kantons, von 1900 bis 1912 war er Nationalrat. Bundespräsident Decoppet 
bekleidete im Heer den Grad eines Oberstleutnants und befehligte ein Infanterieregiment. 
Von der Bundesversammlung 
Im zweiten Kriegsjahr traten Nationalrat und Ständerat viermal zusammen. Die 
erste Tagung fand vom 20. September bis 1. Oktober 1915 statt. Die Session 
vom 6. bis 23. Dezember 1915 brachte vor allem die Wahlen für 1916. Eine 
Friedensinterpellation von Nationalrat Greulich wurde von Bundesrat Hoff 
mann in dem Sinne beantwortet, daß die Zeit für einen Vermittlungsversuch noch nicht 
gekommen sei. Ueber die Frühjahrstagung vom 6. bis 17. März 1916 wurde an 
anderer Stelle berichtet (vgl. S. 291). Im Vordergrund stand die Besprechung des 
zweiten Berichtes des Bundesrates über die Maßnahmen zur Sicherung der Neutralität. 
In der Tagung vom 5. bis 24. Juni 1916 ist der dritte Neutralitätsbericht des 
Bundesrates durchbesprochen worden. Ferner wurde eine Kriegsgewinnsteuer be 
schlossen, die der Bundesrat auf Grund seiner Vollmachten einzuführen habe. In einer 
inhaltsschweren Rede machte Bundesrat Schultheß von der Verschlimmerung der wirt 
schaftlichen Lage infolge einer „deutschen Note" Mitteilung. Ueber den Wirtschafts 
konflikt wird später berichtet (vgl. S. 297 s.).
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.