Volltext: Der Völkerkrieg Band 7 (7 / 1917)

Die Kämpfe im Tiroler und Kärntner Grenzgebiet I. 53 
Santa Caterina im Furva-Tal aufgebrochen, um sich den Uebergang über das Langen- 
serner-Joch (Cevcdale-Paß) zwischen der Sulden-Spitze und dem Cevedale zu erzwingen 
und über den Eissee-Paß und die Schaubach-Hütte ins Sulden-Tal einzubrechen. Ihre 
Angriffsvorbereitungen waren den Unseren nicht unbekannt geblieben. Eigene Pa 
trouillen hatten den Aufbruch der italienischen Kolonnen beobachtet und konnten den 
Vormarsch des Gegners auch so bedeutend verzögern, daß es den Italienern erst am 
Nachmittag des 20. September gelang, mit einem Gebirgsgeschütz einen kleinen Gipfel 
südlich der Königsspitze zu erreichen. Damit war aber erst kaum ein Drittel des beab 
sichtigten Weges zurückgelegt und die tirolische Grenze noch nicht einmal erreicht, ge 
schweige denn überschritten. Weiter kamen die Italiener nicht; auch mit ihrer Absicht, 
sich dort festzusetzen, hatten sie wenig Glück. Noch am gleichen Tag zwang sie unser 
Feuer zum Rückzug gegen die Cedeh-Hütte, und denselben Mißerfolg zeitigte der Versuch 
einer italienischen Abteilung, von der Mailänder Hütte aus über den Zebru-Gletscher 
gegen den Forno-Paß vorzustoßen. Auf dem Gletscher folgte ein wildes Jagen der 
zurückflutenden Italiener, die in eiligster Flucht wieder ihren Stützpunkt, die schon auf 
italienischem Boden gelegene Mailänder-Hütte des italienischen Alpenklubs, zu erreichen 
suchten. Nicht nur das tirolische Gebiet, das die Italiener ja kaum betreten hatten, 
auch das Grenzgebiet überhaupt war vom Feind gesäubert. 
Aber mit diesem Erfolg gaben sich die österreichisch-ungarischen Truppen nicht zufrieden. 
Sie wollten den Italienern das Wiederkommen in diesen Raum gründlich verleiden und 
ihnen auch die wenigen Unterkunftsmöglichkeiten nehmen, die für solche Durchbruchs 
versuche in der Eisregion zur Verfügung standen. Vor allem sollte die im Cedeh-Tale 
2505 Meter hoch gelegene Cedeh-Hütte, die stattliche „Capanna Cedeh" des italienischen 
Alpenklubs, verschwinden, die von einer starken Alpiniabteilung besetzt und mit Gräben 
und dreifachen Drahthindernissen zu einem festungsartigen Stützpunkt ausgebaut war. 
Noch vor Morgengrauen des 25. September hatten die österreichisch-ungarischen 
Truppen die ihnen zugewiesenen Stellungen eingenommen. Sie zogen sich vom Hochjoch 
(3604 Meter), im Westen über den Monte Zebru (3706 Meter) und die Königsspitze 
(3854 Meter) ostwärts zur Kreilspitze (3369 Meter) und Suldenspitze (3385 Meter) und 
dann weiter gegen Süden über den Monte Cevedale (3795 Meter) bis zum Monte Pas- 
quale. In breitem Bogen war damit der ganze Grenzabschnitt umstellt, während eine 
Abteilung der Standschützen, die auch an diesen Kämpfen erfolgreichen Anteil hatten, 
bereits in der Nacht unbemerkt bis zu den Erdmoränen vorgedrungen war, die der Cedeh- 
Hütte vorgelagert sind. Als dann die ersten Sonnenstrahlen über den glitzernden Eis 
hängen aufflammten, weckte das Feuer unserer Gebirgsgeschütze ein hundertfaches Echo. 
Der Kampf, der nun folgte, war nur kurz, aber er brachte den Unseren reichen Erfolg. 
Der erste Kanonenschuß etwa um 8^/z Uhr früh hatte die Italiener, die offenbar sorg 
los in den Tag hineingeschlafen hatten, aufgeschreckt, und, nur mit Hemd und Hose be 
kleidet, stürzten sie aus der Hütte. Im Sturm brachen unsere Schützen durch das drei 
fache Drahthindernis, aber nur wenige Italiener hatten das Gefecht angenommen. Die 
meisten waren, nachdem sie vorher noch rasch eine weiße Fahne auf dem Dachfirst des 
Hauses gehißt hatten, in regelloser Hast über Stock und Stein zu Tal gelaufen, und sie 
hielten diese Hast des Rückzuges bis nach Santa Caterina ein. Ungestört war ihre 
Flucht nicht. Verwegene Kletterer, die sich auf den Steilhängen des Monte Pasquale 
eingenistet hatten, fügten ihnen schwere Verluste zu, und die immer weiter südwärts er 
scheinenden weißen Wölkchen unserer Schrapnelle waren wie ein Wegweiser, der deutlich 
den Wettlauf der Ueberlebenden markierte. 
Der Ueberfall auf die Hütte hatte die Angreifer einen Toten gekostet. Der Stand 
schütze Matthias Wint, einer der besten und verwegensten Gemsenjäger seiner Heimat,
	        
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