Volltext: Der Völkerkrieg Band 7 (7 / 1917)

Der Fortgang der Offensive südlich der Sumpfzone und die russische Gegenoffensive 209 
familien unterwegs von den Kosaken angehalten, was sie mit sich führten, wurde ihnen 
abgenommen und sinnlos vernichtet. Die Straßen sind streckenweise wie besät mit ver 
endeten Tieren. Das Vieh, das nicht in den Ställen verbrannt wurde, ist ins Freie ge 
trieben worden, wo es, ohne Nahrung zu finden, herumirrte, bis es elend zugrunde ging. 
Die Stadt Kiew war überfüllt. In allen Schulen und Kirchen, ja sogar in den Warte 
sälen der Bahnhöfe, hausten die Flüchtlinge. Handel und Verkehr lagen vollständig still, 
die Preise der Nahrungsmittel waren nur noch für wenige erschwinglich. Der Betrieb 
der elektrischen Straßenbahn war vollständig eingestellt, die elektrische Beleuchtung funktio 
nierte nur ganz vereinzelt, der Mangel an Brennmaterial machte sich immer mehr bemerkbar. 
Die Behörden räumten die Stadt. Alle Archive wurden nach Pultawa und Kasan trans 
portiert, die Heiligtümer und Reliquien der Kirchen kamen in den Kreml nach Moskau." 
Die Vorlesungen in den Hochschulen Kiews wurden aus unbestimmte Zeit vertagt, 
das Handelsinstitut nach Saratow und das Konservatorium nach Rostow überführt, die 
zahlreichen Lazarette nach Bjelaja-Zerkow, Schpola, und Pogrebischtsche verlegt. Die 
Bevölkerung war gänzlich mutlos. Vor den Bahnhöfen waren zahllose Gepäckstücke zu 
Bergen aufgestapelt, die Fahrkarten bereits auf mehrere Monate voraus ausverkauft und 
alle Züge überfüllt. 
Auch in Poltawa herrschte große Panik; die Bevölkerung oerließ die Stadt trotz der 
Bekanntmachung des Gouverneurs, daß Poltawa vorläufig noch nicht bedroht sei. 
Von den Kämpfen zwischen Strypa und Sereth 
Vom 4. bis 18. September 1915 
Der Vorstoß der Armee Böhm-Ermolli auf Dubno und parallel dazu gegen das 
bergige Kohlenrevier von Krzemieniec bedeutete eine ernste Flankenbedrohung der russischen 
Serethstellung, die als Verteidigungsstellung besonders bei Tarnopol und Trembowla 
durch Natur und Technik zu starken Stützpunkten mit mehreren Brückenköpfen ausgebaut 
worden war. Um dieser Gefahr zu begegnen, warf sich General Iwanow den deutschen, 
österreichischen und ungarischen Truppen der Armee des Grafen v. Bothmer, die nach Ueber- 
schreiten der Strypa die sumpfige und baumlose Steppe zwischen Strypa und Sereth 
durchzogen, mit vielfacher Uebermacht entgegen. Den mit ungeheurer Wucht geführten 
Doppelstoß hielt die Armee des Grafen v. Bothmer vor Tarnopol aus und schlug ihn in 
der Gegenoffensive zurück; vor Trembowla aber mußte sie vom Sereth in den Abschnitt 
Tiutkow—Darachow zurückweichen. Auf den Höhen zwischen Strypa und Sereth stellten 
sich die zurückgezogenen Truppenteile, harrten aus, bis ihnen im Eilmarsch Verstärkungen 
geschickt wurden und griffen dann mit ihrer Hilfe den zum Stehen gebrachten Gegner 
gleichzeitig an, auf beiden Flanken unterstützt durch benachbarte Truppen. Von drei 
Seiten bedrängt, mußten die Russen unter fortwährenden Kämpfen und schweren Ver 
lusten den Rückzug hinter den Sereth antreten. Aber schon am 11. September brachen 
die Russen abermals mit ungewöhnlich starken Kräften über den Sereth vor, vermochten 
jedoch, trotzdem sie Sturm auf Sturm folgen ließen, die Front der an die Strypa in 
vorbereitete Stellungen zurückgenommenen Verbündeten auch diesmal nicht zu durchbrechen 
und gingen deshalb am 18. September 1915 wieder an den Sereth zurück. 
Am unteren Sereth behaupteten die k. und k. Kräfte unter General Pflanzer-Baltin, 
die nach der Einnahme von Buczacz gegen Czortkow vorgerückt waren, in glücklicher 
Gegenoffensive nach der blutigen Zurückweisung der russischen Angriffe die Höhenstellungen 
über dem Ostuser und im Mündungswinkel des Sereth in den Dnjestr. 
Von diesen blutigen Septemberkämpfen ist der „Neuen Zürcher Zeitung" (25. IX. 15) 
aus dem „K. und K. Kriegspressequartier" folgendes berichtet worden: „Bei der russischen 
Gegenoffensive aus den vorbereiteten Stellungen bei Tarnopol und entlang dem Westuser 
Völkerkrieg. XII. 14
	        
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