Volltext: Der Völkerkrieg Band 7 (7 / 1917)

Die Offensive der Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls von Hindenburg 131 
Dev Vormarsch zwischen Dubiffa und Düna 
Von der Verfolgung der am Nordflügel der deutschen Ostfront im Monat 
August 1915 auf die Dünalinie zurückweichenden Russen berichtet höchst anschaulich 
ein Feldpostbrief, der im „Schwäbischen Merkur" (16. IX. 15) veröffentlicht worden 
ist. Es wird darin zunächst erzählt, wie die Russen durch heftiges Artilleriefeuer gedeckt 
ihre Stellungen räumten, wie die nachdringenden Deutschen die russischen Gräben durch 
schritten und zur weiteren Verfolgung sich aufmachten. „In mehreren Kolonnen," heißt 
es dann weiter, „waren die Russen neben der Straße her durch die Aecker marschiert; 
zerbrochene Bagagewagen, die im Graben liegen geblieben waren, zeugten davon, wie 
eilig sie es gehabt hatten. Bauern mit halbbeladenen Wagen kamen uns entgegen; die 
Russen hatten sie solange vor sich hergetrieben, bis sie nicht mehr folgen konnten. Betten, 
Truhen, Spinnräder und Töpfe, kurz, alles, was sie in der Hast von ihrem ärmlichen 
Hausrat hatten aufladen können, führten sie mit sich. Nebenher lief das Vieh: Rinder, 
Fohlen, Schweine, Schafe. „Germanski!" riefen die Leute und winkten uns zu; überall 
sah man frohe Gesichter, weil wir sie ungehindert heimkehren ließen. Durch Zeichen 
gaben sie uns zu verstehen, daß die „Rußki" weit, weit weg geflohen seien. 
Endlich mußten sich die Russen stellen. Mehrere Tausend Mann wurden gefangen 
und eine größere Anzahl Geschütze, leichtere und schwerere, genommen. Die Bespan 
nungen waren allerdings entkommen, und so mußten die Gefangenen selbst Hand anlegen, 
um die Beute in Sicherheit zu bringen. Täglich fanden sich Ueberläufer ein; sie seien 
gekommen, sagten sie, weil sie nichts mehr vom Kriege wissen wollten; einmal erschien 
sogar ein russischer Artilleriebeobachter, der, um sich gut einzuführen, sein Scherenfernrohr 
mitbrachte 
Bei unserem weiteren Vormarsch bezeichneten gewaltige Feuersbrünste die Rückzugs 
straßen der Russen. Denn der Zar hatte befohlen, daß beim Anrücken der Deutschen 
Städte und Dörfer anzuzünden und sämtliche Vorräte des Landes fortzuschaffen oder zu 
vernichten seien, damit der Feind nichts als eine menschenleere Wüste anträfe (vgl. IX, S. 
183 f.). Ein fürchterlicher Befehl; aber glücklicherweise mußten die Russen so rasch zurück, 
daß er wenigstens in diesen Landesteilen nicht allzu häufig befolgt werden konnte. Wo 
es dem Militär unmöglich war, das Werk der Zerstörung vollständig durchzuführen, da 
sollten die Einwohner selbst Hand anlegen, ihr Eigentum zu vernichten; doch kaum ein 
einziger Hausvater wird sich wohl dazu haben entschließen können. So sah man nur ver 
hältnismäßig wenig verbrannte Gehöfte; hier und dawar auf den Feldern das gemähte 
Getreide angezündet worden und nichts als große runde Brandflecken zwischen den 
Stoppeln deutete darauf hin, wo die Garben gestanden hatten. Das Städtchen Krakinow, 
das bei unserem ersten Vormarsch einen recht günstigen Eindruck gemacht hatte, war bei 
unserem diesmaligen Einrücken durch eine Feuersbrunst wie vom Erdboden getilgt. 
Glimmende Aschenhaufen ließen kaum noch die Grundrisse der Ortschaft erkennen. Die 
wenigen Einwohner, die zurückgeblieben waren, wußten Schreckliches zu berichten. Rus 
sische Infanteristen waren am Morgen in die Häuser eingedrungen, hatten Schränke und 
Truhen erbrochen und das ganze Hausgerät durcheinander geworfen, bis deutsche Granaten 
sie aus der Stadt vertrieben. Als dann das Gewehrfeuer immer näher kam und der 
Einzug der Deutschen bevorstand, gingen russische Dragoner von Haus zu Haus und 
legten überall Brände. So erzählten die Leute und wußten sich vor Tränen kaum zu 
fassen. Alles Metall hatten die Russen mitgenommen; die Kirchenglocken waren entfernt 
worden und die Meßgerätschaften in den Fluß geworfen. Fast die gesamte männliche 
Bevölkerung, auch Knaben und Greise, hatten die Russen mitgeschleppt, weil sie, wie 
man den Angehörigen sagte, beim Ausheben von Schützengräben helfen sollten. So hausen 
die Russen in ihrem eigenen Lande."
	        
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