122 Die Ereignisse an der Oft front im dritten Kriegshalbjahr
flügel der Verbündeten gefochten hatte, nicht minder groß. Drei bis vier russische
Armeekorps und zwei Kavalleriedivistonen wurden empfindlich geschlagen. Allerdings
war es den Russen dabei gelungen durch rücksichtslose Opferung ihrer Infanterie die
gesamte Artillerie zu retten. Die „Schießmaschine" ist eben heutzutage in Rußland kost
barer als das Leben von Tausenden armseliger Bauern."
Früher schon, am 5. November 1915 waren die Kämpfe südlich dieses Frontabschnitts
an der Strypa zu einem Abschluß gebracht worden. Hier war es der Armeeabteilung
v. Bothmer gelungen, die Russen bereits am 13. Oktober gegenüber Tar nopol über die
Strypa zurückzuwerfen und dann zusammen mit den österreichisch-ungarischen Heeren alle
heftigen Anstürme gegen die Stellungen westlich der Strypa durch rechtzeitige Gegen
stöße mit blutigen Erfolgen abzuweisen. Besonders erbittert wurde in den ersten Tagen
des November 1915 um das Dorf Siemikowce gekämpft.
Inzwischen gab General Iwanow den Versuch, durchzubrechen, nicht auf. Neue rus-
stsche Verstärkungen wurden herangezogen, eine in Beffarabien bei Reni versammelte
Rekrutenarmee, die höchstwahrscheinlich zuerst für eine etwaige Verwendung auf dem
Balkan, vielleicht für einen Marsch durch Rumänien nach Bulgarien bestimmt war, dann
aber, infolge des Drucks der Entente auf Rußland, zu höheren politischen Zwecken —
um durch militärische Kraftentsaltung an der Grenze Rumäniens, die durch die Ereig
nisse aus dem Balkankriegsschauplatz erschütterten russischen Strömungen in Bukarest zu
stärken und um möglichst viel Kräfte der Mittelmächte an die Ostfront zu ziehen —
gegen die Bukowinasront, die Dnjestrlinie und die Strypa—Styrlinie, gegen die Armeen
Pflanzer-Baltins, Bothmers, Böhm-Ermollis und Erzherzog Josef Ferdinands, in einer
Frontbreite von 350 Kilometern vorgetrieben wurde. Am heftigsten ist an der bessara-
bischen Grenze gekämpft worden, wo sich die russischen Durchbruchsversuche in der Rich
tung auf Czernowitz besonders stark aussprachen. Die russischen Hauptkräste waren gegen
die befestigte Rakitnafront eingesetzt, die den Raum zwischen Dnjestr und Pruth in nord
südlicher Richtung deckte, um flankierend von Bojan oder über die Straße Zastawna—
Sadagora in die österreichisch-ungarische Hauptstellung einzudringen und die militärische
Räumung von Czernowitz zu erzwingen. Der ersten Abteilung, die siegreich in Czernowitz
einrücken würde, waren auf den Mann 50 Rubel und die Erlaubnis zu achtundvierzig-
stündiger Plünderung der Stadt versprochen worden, wie die „Norddeutsche Allgemeine
Zeitung" (8. II. 16) in ihrem „Rückblick aus das Kriegsjahr 1915" ausführte, „ein
unwürdiger Kriegsgebrauch, der in Europa schon seit dem Dreißigjährigen Kriege als
niederträchtig galt."
Kurz vor Weihnachten 1915 begannen die ersten Angriffe, am 24. Dezember erreichte
der Kampf seinen ersten Höhepunkt und dauerte dann, einige Atempausen der Russen
ausgenommen, den ganzen Januar 1916 über an. Dabei dienten russische Angriffe im
Raume Uscieczko und an der Strypa zur Deckung des Vorstoßes auf Czernowitz. Doch
konnten die Russen trotz der in Bewegung gesetzten Massen die Linie Toporoutz—
Rarancze östlich Czernowitz nicht durchbrechen und ein unmittelbares Ergebnis nicht
erzielen. Ob und wie weit Verstärkungen der deutsch-österreichisch-ungarischen Front
nötig geworden waren, ist unbekannt; das aber steht fest, daß die Balkanoperationen
der Mittelmächte durch diesen verzweifelten fünfwöchigen Ansturm der Russen nicht wesent
lich beeinflußt worden sind.
Aus der verhältnismäßig kurzen Dauer der einzelnen russischen Angriffe ist ersichtlich,
daß keine besonders starken Reserven vorhanden und die Depots trotz der Auffüllung
durch japanische und amerikanische Munition früher erschöpft waren als man angenommen
hatte. Die Ursachen dieser Fehler in der Berechnung der Heeresleitung sind nach den
Ausführungen von Major a. D. Moraht im „Berliner Tageblatt" (25.1.16) einmal