Volltext: Der Völkerkrieg Band 7 (7 / 1917)

312 Der türkis che Krieg während des dritten Kriegshalbjahres 
Verhältnisie und die Solidarität aller Mohammedaner gegenüber den ungläubigen Fremden, 
die Vereinigung der Sunniten und Schiiten (vgl. S. 301), in Rechnung zu stellen. 
Auch die Haltung der Araberstämme am Persischen Golf, denen durch freigebig 
rollende Sovereigns in Jahrzehnten die Ueberzeugung von der Allmacht Englands 
beigebracht worden war und die deshalb immer ein unruhiges und unsicheres Element 
im türkischen Staatsgebäude dargestellt hatten, entsprach nicht den englischen Erwartungen. 
Die Araber sahen nach einem Bericht der „Frankfurter Zeitung" (5. XI. 15) mit Staunen, 
„wie türkische Truppen selbst in großer Minderzahl und mit unzulänglicher Artillerie den 
Engländern erfolgreich standhielten und wenn auch einige Häuptlinge, wie der Scheich von 
Koweit, Moubarah es Sabah, deren Gebiet allzu sehr englischen Angriffen von der See 
aus geöffnet ist, zunächst noch zu den Engländern hielten, so sind anderseits doch zahlreiche 
kleinere Stämme, die früher stets mit der türkischen Regierung in Fehde lagen, zu ihr 
übergegangen und Montefiks, Schammar und Onesse-Beduinen kämpften jetzt mit Ver 
trauen auf den schließlichen Erfolg der türkischen Waffen und als überzeugte Bewunderer 
der deutschen Verbündeten für die Sache des Dschihad. Neben der Enttäuschung, die 
England diesen trotz mangelnder Bildung überaus scharfsichtigen und klugen Naturvölkern 
bereitet hat, spielt die Person Kaiser Wilhelms, die sich einer oft fast überirdischen Ver 
ehrung bei ihnen erfreut, die Hauptrolle in diesem moralischen Erfolg." 
Die Stärke der britischen Streitkräfte in Mesopotamien bezifferte sich, wie 
Nereus im „Neuen Wiener Tagblatt" (23. II. 16) ausführt, „nach den ersten Nach 
richten auf etwa vier Divisionen, und diese Ziffer schien auch keineswegs übertrieben. 
In der Folgezeit stellte sich jedoch das britische Expeditionskorps als bedeutend kleiner 
heraus; die Engländer wollten ihre Pläne rasch ausführen und verzichteten daher darauf, 
jene Truppenkörper mitzuverwenden, die sich in Indien nur langsam sammeln und nur 
allmählich herangebracht werden konnten. So kam es, daß die Streitmacht, mit der der 
englische Führer Townshend die Offensive tigrisaufwärts nach Bagdad, ins Herz von 
Obermesopotamien, antrat, die Stärke einer starken Division nicht überstieg. Diese Division 
Townshend verfügte nach den Verlustlisten insgesamt über 16 Bataillone Infanterie, und 
zwar über drei europäische und 13 indische, ferner über ein Pionierbataillon, drei Kavallerie 
regimenter, drei oder vier Artillerieabteilungen meist leichter Artillerie usw., zusammen 
also — das Bataillon zu 800 Mann angenommen — über etwa 16000 Mann. Wenn 
nun diese Streitmacht auch durch eine aus flachgehenden, leicht gepanzerten Kanonen 
booten bestehende Flußflottille unterstützt wurde, so erwies sich ihre Stärke zur Be 
wältigung ihrer Aufgabe um so mehr unzureichend, als die Einrichtung der Etappen 
linie durch spätere Truppennachschübe von rückwärts nicht restlos möglich war und 
zu ihrer Sicherung vor der vielfach feindseligen Bevölkerung, befestigte Stützpunkte in 
gewissen Abständen angelegt und besetzt werden mußten. Infolge solcher Detachierungen 
sowie infolge der eingetretenen Kampsverluste einerseits, anderseits infolge der nach und 
nach erfolgten Heranbringung von türkischen Verstärkungen, wohl auch infolge der Ueber 
nahme des Oberbefehls über die türkischen Truppen durch Feldmarschall von der Goltz, 
gelangte der britische Vorstoß noch vor Erreichung des Operationszieles zur Kulmination. 
Im einzelnen gestaltete sich der Verlaus des Feldzuges wie folgt: Im August und 
September 1915 erzielte das englisch-indische Expeditonskorps, das mit seiner Hauptkrast 
am linken, mit einer Nebenkolonne am rechten Ufer des Tigris vorrückte und von der Flot 
tille begleitet war, rasche Fortschritte. Die schwachen türkischen Kräfte wichen zurück und 
sammelten sich beiKut-el-Amara, also hinter jenem defileeartigen Raum, der da 
durch gebildet wird, daß sich der Tigris etwas unterhalb des genannten Ortes scharf 
nach Nordosten wendet, sich dadurch bei El Gussa dem Suwekiesumps nähert und für 
die Karawanen- und Heerstraße ein nicht allzubreites Landgebiet freiläßt. Immerhin
	        
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