Volltext: Der Völkerkrieg Band 7 (7 / 1917)

272 Der türkische Krieg während des dritten Kriegshalbjahres 
ballctten häufig zu sehen bekamen an den englischen „dancing Girls", an diesen Spring 
jungfern, die mehr auf das Erbarmen als auf die Sinne wirkten. Auch jeder von den 
Vergessenen auf Gallipoli ist ein Tänzer geworden — a dancer upon nothing, wie der 
Londoner Volksmund die Justifizierten nennt, die unter den Füßen keinen Boden mehr 
haben. Wie die Unbegrabenen am Strange, so strecken auch die stillen Mietsleute von 
Niemandsland die nackten, schon beingewordenen Sohlen in die Luft. Denn die obdach 
los gewordenen und im schneidenden Wintersturme frierenden Bauern von Krithia, 
denen die englischen Granaten die Häuser zerklopften und die Kleidertruhen verbrannten, 
ziehen zur Wärmung ihres eigenen Lebens den geduldigen Schläfern von Niemandsland 
die guten Schuhe herunter, wickeln ihnen die schottischen Bandgamaschen von den dünn 
gewordenen Waden und schälen die Strümpfe, die Röcke, die Hosen und die Hemden 
von den eingeschrumpften Kadavern. Das ist entsetzlich anzusehen, aber es ist entschuld 
bar. Hätte das lebende England nicht genommen, so müßte das tote nicht geben." 
Und Mario Passarge klagt: „Die vielen, die da herumliegen wie fortgeworfenes Kriegs 
gerät, Leichen mit weißen Augen in schwarz angelaufenen Gesichtern, mit Fäusten, die 
eingetrocknet sind und kleingeworden wie Kinderhände, aber noch zerbrochene Flinten- 
schäste umklammern, die vielen für deren Bestattung man keine Zeit mehr fand, der 
hier aneinandergereihte Tod, das ist der „eine Mann", den Monro beim Rückzug ver 
loren hat (vgl. S. 247). Die englische und französische Deputation, die einstens Galli 
poli besuchte und für gut befand, sollte heute wiederkommen. Man sollte ihr erlauben, 
daß sie betrachte, was davon übrig blieb." 
Episoden 
Die englische Sorge für die türkische Marine 
Siegfried Geyer, der Kriegskorrespondent der „Frankfurter Zeitung" hat in einer 
seiner Schilderungen über eine nächtliche Torpedofahrt in den Dardanellen auch von 
einem deutschen Obermaat berichtet, der ihm erzählte, wie die Engländer bemüht waren, 
die türkische Marine „seetüchtig" zu machen. „Das hätten Sie mal sehen sollen, wie ich 
das Boot übernommen habe," stößt er zwischen den Zähnen hervor. „Die Engländer 
hatten die Heizrohre verstopft, in ein paar hatten sie ein zweites Rohrstück gesteckt, um 
die Schnelligkeit des Bootes zu behindern. Sie wußten, daß wir noch einmal aus 
sie Jagd machen, daß sie die Boote, die sie so hatten verkommen lassen, noch mal zu 
sehen bekommen. Aber anders, als ihnen lieb ist. Denken Sie nur: Wie ich das erste 
mal heizen lasse, so recht hineinfeuern mit Cardiff-Kohle, fangen mir die türkischen 
Heizer zu zittern an. Die Schaufeln bleiben in ihren Händen stehen und ich merke, 
wie sie das Manometer anstaunen, mit weit aufgerissenen Augen. Was ist denn los, 
zum Teufel, schrie ich. Aber die Kerls lassen die Schaufeln fallen, und beten plötzlich. 
Ich ruf den türkischen Maschinenmeister, der etwas deutsch versteht, frag ihn, was los 
ist, warum die Leute nicht arbeiten. Da hat er mir's erzählt. 
Jetzt hören Sie mal gut zu. „Das ist nämlich nicht zu glauben" — und er schüttelte 
den Kopf. Die englischen Ingenieure, die aus dem Torpedo waren, haben natürlich 
genau gewußt, daß die Maschinen 26 bis 27 Meilen leisten können. Aber sie sagten 
den Türken, sie dürften nicht weiter heizen, als bis der Zeiger am Manometer vor dem 
roten Strich angelangt sei. Ich hatte im Nu raus, daß die Manometer falsch zeigten, 
absichtlich falsch. Der rote Strich gab kaum 17 Meilen Schnelligkeit an. Ich nehme 
also selber die Schaufel, und immer feste Kohle hinein, was Platz hat. Die Heizer 
standen dabei. Sie dachten, ich sei toll geworden. Eine saubere Gesellschaft, die Eng 
länder. Auch die Geschütze auf den Forts wollten sie versauen. Wir sind aber da 
hinter gekommen; rechtzeitig! . . ."
	        
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