Volltext: Der Völkerkrieg Band 7 (7 / 1917)

252 Der türkische Krieg während des dritten Kriegshalbjahres 
Wetter und Gelände den Türken günstiger. Sie hatten seit dem 4. Januar 1916 An 
zeichen der bevorstehenden Einschiffung beobachtet und hielten am 8. Januar den Augen 
blick zum Handeln gekommen. In der Nacht vom 8. zum 9. Januar stießen sie auf 
der ganzen Linie vor und erzwangen ein fluchtartiges Zurückfluten feindlicher Teile zu 
den Einschiffungsstellen. Die englischen Verluste waren ziemlich bedeutend, der Masse 
gelang es aber, auf die Schiffe zu entkommen. Die zurückgelassene Beute war groß. 
Von nun an fanden an den Dardanellen andauernd englische Erkundigungen statt, 
teils zu Schiffe, teils durch Flieger, um festzustellen, wieviel Kräfte die Türken in den 
Dardanellen beließen, wieviel sie gegen Saloniki verwendeten oder nach Armenien und 
Mesopotamien abtransportierten. Dabei entstanden die kleinen Artilleriegefechte, von 
denen die türkischen Tagesberichte (vgl. S. 249) erzählen. Aber auch die artilleristische 
Verteidigung der Dardanellen ist dauernd von den Engländern beobachtet worden, um 
keine Gelegenheit zu einem Handstreich vorübergehen zu lassen. 
Die Engländer und Franzosen hatten das kläglich zusammengebrochene Abenteuer an 
den Dardanellen mit ungeheuren Verlusten an Menschen (vgl. S. 277) und Material 
bezahlt; der Preis war doch endlich zu teuer geworden, wobei das verlorene Material: 
Schlachtschiffe, Kreuzer, Zerstörer, 17-Boote, Transportschiffe, Geschütze, Munition, 
allerlei Heeresbedarf, das auf fünf Milliarden geschätzt wurde, englischen Augen wohl 
noch wertvoller erschien, als die armen Hindus, Senegalesen, Australier, die dabei zu 
grunde gegangen waren. Die Erklärung des englischen Ministerpräsidenten Asquith im 
Unterhäuser „Der Rückzug wird für immereinen hervorragenden Platz in der englischen 
Geschichte einnehmen, und die Offiziere, die diese Operationen leiteten, verdienen die 
größte Anerkennung", ist ein Zugeständnis, daß bei taktisch weniger geschickter Loslösung 
das mit so viel Verheißungen unternommene Dardanellenunternehmen mit der Ver 
nichtung des ganzen Expeditionskorps geendet hätte. 
In der englischen Presse wurde die Nachricht von der Räumung Gallipolis als eine 
Erleichterung empfunden. Aber trotz der freudigen Genugtuung, daß der Rückzug so 
gut gelungen war, nannte die „Times" den Feldzug auf Gallipoli doch „einen der 
monumentalsten Fehlschlüge, den die Engländer jemals zu verzeichnen hatten". Dagegen 
stellte die Pariser Presse im allgemeinen die Räumung von Gallipoli als eine not 
wendige strategische Maßnahme hin. 
Der am 7. Januar 1916 in der „Times" erschienene Bericht Sir Jan Hamiltons 
vom 11. Dezember 1915 mit den Ueberschriften „The Story of a splendid failure“ und 
„Indecision of the Commanders“, der seine Veröffentlichung wohl hauptsächlich dem 
dringenden Bedürfnis nach Rechtfertigung vor der öffentlichen Meinung verdankte, be 
wies nach H. Stegemanns Ausführungen im „Bund" (11. I. 16), daß „die englischen 
Stäbe ein auf wissenschaftlicher Methode aufgebautes, bis ins einzelne durchgearbeitetes 
Angriffsverfahren nicht in Fluß zu bringen vermochten, so gut auch ihr militärischer In 
stinkt sie berät und so tapfer die Truppe auch ficht." „Auch die Anlage der Gesamt- 
unteruehmung war operativ falsch," betonte Major F. C. Endres in der „Frankfurter 
Zeitung" (16.1.16): „Im ganzen mußte sie ja wohl als Durchbruch gedacht sein. Trotz 
dem war ihre strategische Form viel zu spitz: Die Richtung des Hauptstoßes war der 
Führung des Verteidigers erkennbar, bevor dieser Hauptstoß zur vollen taktischen Ent 
wicklung kam. So kann man wohl Kolonialoperationen machen, aber nicht Operationen 
gegen türkische Truppen unter deutscher Leitung." 
Die unmittelbaren militärischen Folgen des Rückschlags der Dardanellenoperation, 
die vom englischen Unterhaus mit Beifall begrüßt wurde, sind oben bereits angedeutet worden 
(vgl. S. 2l6f.). Die politischen Folgen waren hauptsächlich für Rußland empfindlich. 
„Mit der Räumung Gallipolis," schreibt „Brooklyn-Eagle" nach der „Vossischen Zeitung"
	        
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