Volltext: Der Völkerkrieg Band 7 (7 / 1917)

Der Kampf um die Dardanellen und die Räumung der Gallipoli-Halbinsel 251 
sammenbrechen werde. Auch der englische Kriegsberichterstatter Revinson und der amt 
liche Vertreter der britischen Presse an den Meerengen, Ellis Ashmead Bartlett, 
haben nach ihrer Rückkehr in Artikeln und Vorträgen das Dardanellenunternehmen 
immer wieder als hoffnungsloses Abenteuer bezeichnet. Revinson fand, daß die mili 
tärische Organisation der Franzosen die der Engländer übertroffen habe, und sagte über 
den Mißerfolg der Landung an der Suvlabai: „Eine Ursache hierzu war die Unfähigkeit 
des Stabes; der Hauptgrund aber war, daß es frische Truppen waren, die keine Kriegs 
erfahrung hatten, das Land nicht kannten und Hitze und Durst nicht zu ertragen vermochten." 
Auch ein Buch des Kapitäns Granville Fortescue über die Lage der Verbündeten, in 
dem der Verfasser rät, die Dardanellenunternehmung jetzt auszugeben, da die Balkan- 
krifis dafür den besten Vorwand gäbe, erregte Aufsehen. 
Monatelang hatte die türkische V. Armee unter dem Befehl des Marschalls Liman 
v. Sanders, der von einem Stab türkischer Offiziere sowie den Majoren Prigge und 
v.Treutler, seinem persönlichen Adjutanten, unterstützt wurde, die Stellungen an den Meer 
engen unter den allerschwersten Verhältnissen gehalten. Der alte Ruhm türkischer Verteidi- 
gungskunst lebte wieder auf. Kaum aber war die Zufuhr von Munition, der schweren Ge 
schütze und all jener technischen Hilfsmittel, die im modernen Kriege unentbehrlich geworden 
sind, durch die Balkanoffenstve und Oeffnung des Weges aus Deutschland nach Konstanti 
nopel in einem solchen Umfange gesichert, daß die Verteidigung darin den unerschöpflich 
scheinenden Mitteln des Angreifers ebenbürdig wurde, da flammte in den türkischen Truppen 
auch die Angriffslust auf. Da die technischen Kräfte sich nun einigermaßen ausglichen, 
entschied der höhere Wert der militärischen Tüchtigkeit. Die Engländer mußten weichen. 
Nach der Abberufung Hamiltons und aus die Berichte des neuen Oberkommandierenden, 
des Generals Monro, und Lord Kitcheners, der die Verhältnisse an Ort und Stelle ein 
gehend studiert hatte (vgl. S. 218), entschloß sich die Entente zur Aufgabe des Unter 
nehmens. In der Nacht vom 18. zum 19. Dezember 1915 erfolgte zunächst die Räu 
mung der Stellungen um die Anafartabucht. Sie war vom Glück begünstigt und vollzog 
sich ohne bedeutende Verluste, da ein dichter Nebel vom Meer her die vorsichtig getroffenen 
Vorbereitungen unterstützte. Den Türken fiel aber bedeutende zurückgelassene Beute von 
allerlei brauchbarem Kriegsbedarf in die Hände. 
Nach bekanntem und bei ähnlichen Gelegenheiten immer wieder angewandtem Muster 
ertönten nun zwar die üblichen Fanfaren in Rede und Schrift, die glauben machen 
sollten, die Südspitze der Halbinsel würde auch fernerhin als ein zweites Gibraltar ge 
halten werden, aber die englische Einschränkung, daß dieser Erfolg wertvoll genug sei, 
so lange der Preis dafür nicht zu teuer würde, war gerade für englische Auffassungen 
bezeichnend. Nach den offiziellen Mitteilungen der Entente erfolgte die Räumung gemäß 
den zwischen den verbündeten Generalstäben verabredeten Plänen und weil der strategische 
Wert der besetzten Stellungen durch die neue Entwicklung der Operationen vermindert 
worden war. Die dadurch bewirkte Verkürzung der Front sollte ermöglichen, die Kriegs 
handlung an anderen Punkten der Linie mit größerer Kraft zu führen. Das lautete 
zum mindesten sehr dunkel und ließ alle möglichen Deutungen zu. Unter der verkürzten 
Front konnten die Stellungen der Sedd-ül-Bahrgruppe verstanden sein, aber ebensogut 
auch die Linien um Saloniki oder irgendwo anders. Die ganze Begründung war wohl 
hauptsächlich dazu bestimmt, auf die Möglichkeit eines Rückzuges der letzten Landungs 
gruppe und damit auf eine vollständige Räumung der Dardanellen vorzubereiten. Denn 
die noch um Sedd-ül-Bahr stehenden Truppen waren unter dem konvergierenden Feuer 
der schweren türkischen Batterien von Krithia und vom asiatischen Ufer denn doch zu 
schwach, um irgend etwas Entscheidendes zu unternehmen, und wirklich dauerte es auch 
nur noch drei Wochen bis zum unfreiwilligen und unrühmlichen Ende. Diesmal war
	        
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