Volltext: Der Völkerkrieg Band 7 (7 / 1917)

Die Kämpfe i m Tiroler und Kärntner Grenzgebiet II. 91 
Morgen kommt dann die Milch für die ganze Mannschaft herauf. Aber die Ziegen 
schweifen über den ganzen Bergkamm, und der alte Bauer in der Uniform, dem sie 
unterstellt sind, hat keinen leichten Dienst. Er trägt einen langen Andreas Hofer-Bart, 
einen geschälten Haselnußstecken, manchmal dazu das Gewehr und immer die brennende 
Pfeife. Er liebt die Einsamkeit und den weiten Blick über das Gebirge hinaus zu den 
fernen Zacken, an deren Fuß sein Heimatsdors liegt. Er grüßt bedächtig, wenn man 
seinen Weg kreuzt, und beginnt dann nicht ungern einen kurzen „Dischkurs" über Ernte 
aussichten, „Plenten"-Mehl und Wetter. Aber ein paar Tage lang schien es, als be 
drücke eine Sorge oder ein Zweifel sein einfaches Gemüt. Bis die Erlösung kam, in 
Gestalt des Majors, der mit anderen Offizieren zu einer Besprechung gegen den Gipfel 
hin anstieg. Die Herren waren schon ein Stück an ihm vorüber, als sie sich von hinten 
angerufen hörten und stehen blieben. 
„Sie! Sie!" rief der Ziegenhirt und nahm die Pfeife aus dem Mund. „Sie! Herr 
Major! Mit Verlaub! Jetzt woaß i nit, was tian, wenn Alarm ischt. Soll i nachher 
mit die Gäas (Ziegen) übern Berg überosohrn (hinuntergehen) oder in'n Schützen 
graben gian?" 
Von den Verteidigern der Naglerspitze 
In den Leipziger Nachrichten (29. IX. 1915) erzählt der Kriegsberichterstatter Dr. Karl 
Hans Strobl von einem Besuche, den er den österreichisch-ungarischen Stellungen am 
Stilsser Joch im Spätherbst 1915 abstattete, und von dem kühnen Heldenmut der dort 
stehenden Verteidiger allerlei charakteristische Episoden. So auch eine von dem Tele 
phonisten Böhler, der ganz allein einen Flankenangriff auf eine zur Erstürmung der 
Naglerspitze ausgesandte italienische Kompanie unternahm. Dr. Karl Hans Strobl 
schreibt: „Soldaten waschen in einem Bach von Schmelzwasser ihr Kochgeschirr. Auf 
einem Felsblock sttzt ein rotbärtiger Mann und raucht seine kurze Pfeife und schaut zu. 
„Na, Böhler, wie geht's?" fragt der Artilleriehauptmann, der in diesem Abschnitt 
der heiligen Barbara Bevollmächtigter ist. 
Der rotbärtige Mann springt vom Block, steht stramm: „Langweilig ischt's halt, 
Herr Hauptmann." 
„Ich kann nichts dafür," meint der Hauptmann, „müßt's euch halt beim Walischen 
beschweren. Er soll sich mehr rühren." 
Und dann erzählt der Hauptmann. „Dieser Rotbart, das ist ein Telephonist. Brav, 
tüchtig, verläßlich, so lange alles ruhig ist. Er bedient seinen Apparat und wacht 
väterlich getreu über jede Schraube. Aber wie es einmal in den Bergen knallt, da kriegt 
er das Kugelfieber. Da leidet's ihn nicht mehr im sicheren Unterstand. Er muß hinaus, 
auf die Katzelmacher schießen, bittet und bettelt so lange, bis man es ihm erlaubt. Und 
unlängst, unlängst ... also da kam es den Italienern in den Sinn, die Naglerspitze 
(auch so ein netter Käfer von 3259 Meter) zu nehmen (obzwar sie doch Cadorna schon 
längst genommen hatte). Sie gingen mit einer vollen Kompanie an. Und oben lagen 
damals elf Mann. Elf Mann. Aber die Italiener hatten die Rechnung ohne den 
Telephonisten Böhler gemacht. Der hatte sich aus dem Telephonunterstand heraus 
gebettelt und unternahm auf eigene Faust einen „Flankenangriff". Schlich sich also ins 
Val de Vitelli, legte sich hinter einen Block, drückte seinen roten Bart in den Schnee 
und begann zu schießen. Schoß wie ein Maschinengewehr (nachher hatte er vom Repetieren 
Blasen an der Hand), und die Italiener bekamen Angst, witterten die halbe Brigade 
von Bormio und zogen sich zurück. Und als Böhler nunmehr vier Feinde gegenüber 
hatte, schoß er noch drei ab, ging hin, nahm den vierten beim Kragen und lud ihn ein, 
mitzukommen. ..."
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.