Volltext: Der Völkerkrieg Band 6 (6 / 1916)

Die große Offensive zwischen der unteren und oberen Weichsel bis zum Fall von Warschau 177 
Ich verließ den Nationalausschuß, packte meine Sachen und fuhr zum Bahnhof. Mein 
Wagen fuhr hinter den vielen anderen, deren Ziel Prag« war. Der Fluß floß gelb 
und schlammig dahin, und wir kreuzten ganze Scharen von Bauern, die sich aus der 
Flucht befanden. Wie traurig das alles war! Der Regen, die Bauern, das begräbnis 
artige Fahren der Wagen! Mir war, als ob ich dem Leichenbegängnis eines ganzen 
Volkes folgte! An der Großen Brücke standen Soldaten mit ausgepflanztem Bajonett, 
um das Schnellfahren der Wagen zu verhindern, da eine starke Erschütterung die Minen 
vor der bestimmten Zeit zur Explosion hätte bringen können. Drüben aus dem rechten 
Ufer zog ein Infanterieregiment mit beschleunigtem Schritt zur Feuerlinie; die Soldaten 
waren alle ganz neu eingekleidet, von den Stiefeln bis zur Mütze; voran schritt Musik, 
die bei strömendem Regen flotte Marschmelodien spielte. Ein paar Soldaten hatten 
Gewehre, andere nicht, die letzteren sollten in Reserve bleiben, um dann die Plätze und 
Waffen der Toten zu übernehmen. Mit Mühe nur gelangte ich in den Zug, der die 
letzten Russen aus Polen entführte. Sie sahen aus wie Mieter, die nach Ablaus des 
Vertrages die Wohnung wechseln . . ." 
Die feierliche Besitzergreifung Warschaus am 9. August 1915 
und der Eindruck feines Falles 
Am Vormittag des 9. August 1915, am Tage nach der Säuberung Pragas von den 
russischen Nachhuten, fand der festliche Einzug des Oberbefehlshabers der IX. Armee, des 
Prinzen Leopold von Bayern, in das am 5. August von den deutschen Truppen besetzte 
Warschau statt. Bei herrlichem Sommerwetter vollzog sich die feierliche offizielle Besitz 
ergreifung der Festungsstadt, deren Einwohnerschaft sich in dichten Scharen auf den 
Straßen drängte. In festgeschlossenen Reihen postierten sich die Bürger hinter den 
spalierbildenden Jnfanterieregimentern der Division, die in den Kämpfen um Warschau 
gegen Fort VI erfolgreich vordrang. Stadtmiliz, die, neugebildet, auch angetreten war 
und in Gruppen den Sicherheitsdienst mit versah, bewährte sich trefflich, so daß sich 
die ganze Einzugsseierlichkeit programmäßig vollzog. Am Wiener Bahnhof begrüßte 
der kommandierende General der um Warschau versammelten deutschen Heereskräfte, 
Freiherr v. Scheffer-Boyadel, umgeben von den hohen Offizieren seines engeren Stabes, 
darunter auch General der Artillerie Gereke, den Prinzen, in dessen Gefolge sich der 
Generalstabsches General Grenert und die Herren des Armeeoberkommandos befanden. 
Nachdem der Oberbefehlshaber unter den Klängen des Präsentiermarsches die ausgestellte 
Ehrenkompagnie, die von einem bayrischen Landsturmregiment gestellt worden war, ab 
geschritten hatte, hielt er zu Pferde seinen Einzug in die Hauptstadt Polens. Kavallerie, 
eine Eskadron württembergischer Dragoner und preußischer Kürassiere, ritt voraus. 
Schwarzgelb und schwarzweiß winkten die Lanzenfähnchen im Winde, und dazu schallten 
frisch die Klänge deutscher Jnfanteriemarschmustk, die hinter der Kavallerie folgte. Dem 
imposanten Reiterzug folgte das Korps der Stabsoffiziere, vor denen die Generalität 
dicht hinter dem Oberbefehlshaber ritt. Durch die Marschallstraße und Krolewska« 
straße, vorüber an Spalier bildenden Jnfanterieregimentern der Division und Abord 
nungen der Warschauer Bürgermiliz, ging der stattliche Zug, den eine Eskadron Ulanen 
abschloß. Ueberall grüßte die Menge höflich und freundlich. Zum Sachsenparkplatz 
führte die Feststraße, wo vor dem großen Säulenportal des Parkeingangs ein Vorbei 
marsch der Truppen stattfand. Während die Zivilbehörden dem Oberbefehlshaber Mel 
dungen über die Stadt erstatteten, marschierten die Mannschaften auf, die zur Dekoration 
mit dem Eisernen Kreuz vorgeschlagen und nun, einzeln vorgestellt, im Beisein von Prinz 
Friedrich Wilhelm von Preußen und Herzog Ernst Günther zu Schleswig-Holstein aus der 
Hand des Feldmarschalls die Auszeichnung vor dem versammelten Offizierskorps empfingen. 
Völkerkrieg. IX. 12
	        
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