Volltext: Der Völkerkrieg Band 6 (6 / 1916)

278 Frankreich während des dritten Kriegshalbjahres 
seiten der Senatoren so heftige Angriffe auf Millerand gerichtet, daß dieser voll Zorn 
das Zimmer verließ und die „Agence Havas" benachrichtigte, daß sie noch am selben Abend 
eine Note über seinen Rücktritt aus Gesundheitsrücksichten erhalten werde. Nur den 
stundenlangen Bemühungen Vivianis gelang es, Millerand noch einmal umzustimmen." 
„Es ist für die atmosphärische Spannung, die im August 1915 über Frankreich stand, 
bezeichnend genug, daß in der Sitzung vom 12. August eine an sich so unverfängliche 
Sache, wie ein Gesetzesvorschlag über den Ernteurlaub, zu einer äußerst erregten 
Diskussion und einer förmlichen Kundgebung der gesamten Linken gegen den Generalissi 
mus geführt hat," schreibt die „Frankfurter Zeitung" (19. VIII. 15). „Eine Anspielung 
auf das Drückebergertum war es, wenn der Abgeordnete Claussat bemerkte (wir zitieren 
nach dem „Temps"):. „Man muß die parlamentarischen Mittel anwenden, damit die 
bäuerliche Klasse nicht mehr die einzige ist, die sich für einen Sou im Tag in den 
Schützengräben den Schädel zerschlagen lassen muß", und im gleichen Sinne klagte der 
Abgeordnete Paul Constans über „die absolute Willkür bei der Gewährung des Ernte 
urlaubs". Hierauf nahm der Abgeordnete Brizon das Wort zu ähnlichen Beschwerden: 
„... Aber, meine Herren, wenn es im Großen Hauptquartier einen General gegeben hat 
(womit niemand anders als Joffre in eigener Person gemeint ist), der die Interessen des 
Ackerbaues und damit die Interessen der nationalen Verteidigung selber verletzt hat, so konnte 
ich gestern in der Ackerbaukommission mit Vergnügen feststellen, daß ihm nicht alle Chefs 
unserer Armeen gleichen. Die Kommission hat in der Tat das Vergnügen gehabt, vom 
Ackerbauminister zu hören, daß es wenigstens eine Armee gibt, deren Befehlshaber die 
nötigen Maßregeln zu treffen wußte, um die französische Ernte zu retten. Und dieser 
General, ein Republikaner, ist kein anderer als der General Sarrail." (Andauernder 
Beifall aus der Linken.) Dann fuhr Brizon fort: „Ich bin nicht gewöhnt, die Vertrau 
lichkeiten der Minister zu empfangen, und was ich jetzt sagen werde, wird mir den Vorteil 
solcher Vertraulichkeiten für immer entziehen. (Gelächter.) Habe ich geträumt oder habe 
ich wirklich einen Minister sagen hören, daß er, ein republikanischer Minister, mit eigenen 
Augen und Ohren gehört und gesehen hat, wie der Kriegsminister den Generalissimus 
der Armeen der Republik gegen das Parlament aufhetzte? ..." 
Jetzt griff der Kriegsminister Millerand in die Diskussion ein und erklärte, Brizon 
habe geträumt, als er hörte, er (Millerand) habe Joffre gegen das Parlament auf 
gehetzt. Die Forderungen des Beschlußantrages Claussat müßten mit den Forderungen 
der Landesverteidigung in Uebereinstimmung gebracht werden, denn sonst würde die 
Gefahr bestehen, daß die Front unnötigerweise von Soldaten entblößt werde. In diesem 
Sinne werde er den Antrag auslegen und anwenden, der darauf angenommen wurde." 
In der Sitzung des 13. August 1915 war es bei der Erörterung des Kredits für die 
Unterstaatssekretariate des Jntendanturwesens und Sanitätswesens 
der Sanitätsdienst, der den Sturm entfesselte. Der sozialistische Deputierte Dr. Navare 
richtete hinsichtlich des Sanitätsdienstes in der Armeezone heftige Angriffe gegen den 
Kriegsminister, der sich hinter den Entscheidungen der beratenden Oberkommission ver 
schanze. Die Einführung notwendiger Neuerungen und Reformen stoße auf starken 
Widerstand. Der Deputierte Moutet ruft, er habe dem Kriegsminister drei Aerzte an 
gegeben, die aber zurückgewiesen wurden, weil sie im Frieden nicht die genügende Zahl 
von Uebungen gemacht hätten. ... Hierauf entsteht ein ungeheuerer Lärm, Boussenot 
will sich aus Moutet stürzen. Die Saaldiener eilen herbei, aber nach der Erzählung 
des „Journal", „kommt ihnen der Negerdeputierte Caudace, ein Mann von herkulischem 
Körperbau, zuvor, und dieser Neger ist es, der die beiden Weißen trennt." 
Auf den Ruf des Abgeordneten Delahay: „Es lebe die heilige Einigkeit" entgegnete 
Dr. Navare: „Sie sprechen von der heiligen Einigkeit, aber gerade weil die Kammer
	        
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