Volltext: Der Völkerkrieg Band 6 (6 / 1916)

Der Wiederaufbau der belgischen Städte 271 
das Washingtoner Kabinett von der Angelegenheit Cavell keine Kenntnis gehabt habe, 
daß vielmehr die Schriftstücke ohne vorherige Verständigung des Staatsdepartements 
durch das Auswärtige Amt in London veröffentlicht worden seien. Gleichzeitig hat die 
amerikanische Regierung den Justitiar de Leval seiner Stellung enthoben." 
Im allgemeinen sind, von dem Fall Edith Cavell abgesehen, bei dem ein abschrecken 
des Beispiel zu geben beabsichtigt war, wirkliche belgische Patrioten, die freiwillig und 
nicht gedungen, lediglich aus Liebe zu ihrem Vaterland ihr Leben aufs Spiel setzten, 
von den deutschen Kriegsgerichten im Sinne der Kriegsgesetze zwar zum Tode verurteilt 
dann aber stets begnadigt worden. Auch die Gefangenschaft der Gattin des belgischen 
Justizministers, Frau Carton de Wiart (vgl. VII. S. 262) ist in Erfüllung eines Wunsches 
des Königs von Spanien am 4. September 1915 beendet worden; doch blieb ihr die 
Rückkehr nach Belgien verboten. 
Daß die deutschen Feldgerichte gänzlich unparteiisch nach Recht und Gesetz ihre Urteile 
fällten, geht auch aus einer Statistik hervor die in der „Norddeutschen Allgemeinen 
Zeitung" (13. II. 1916) veröffentlicht worden ist. Darnach sind mit Beginn der Tätig 
keit der deutschen Feldgerichte bis zum 31. Oktober 1915 insgesamt 3315 Verurteilungen 
und 3342 Freisprechungen oder Einstellungen der Verfahren erfolgt. Schon dem Laien 
wird dies Verhältnis auffallen; „jeder Jurist aber", schreibt die „Norddeutsche Allge 
meine Zeitung", „wird ohne weiteres bestätigen, daß diese Verhältnisziffern selbst für 
Friedenszeiten als durchaus günstige gelten können und eher von einer ziemlich milden, 
als von einer zu scharfen oder gar willkürlichen Rechtsprechung Zeugnis ablegen." 
Der Wiederaufbau der belgischen Städte 
Mit der verwaltungsrechtlichen Seite des künstlerischen Wiederaufbaus belgi 
scher Städte hat sich die „Commission Royale des Monuments et des Sites“ bereits 
im November 1914 beschäftigt und durch ihren Präsidenten Herrn Lagasse de Locht und 
einen der bekanntesten belgischen Architekten Herrn Saintenoy ein Gutachten ausarbeiten 
lassen, das gegenüber den unvollkommenen örtlichen Bauordnungen und der Willkür der 
Eigentümer nach der „Frankfurter Zeitung" (15. X. 1915) nur den einen Ausweg 
wußte, „an die Gewährung der Geldzuschüsse aus staatlichen Mitteln gewisse Be 
dingungen zu knüpfen, also die Baupläne genehmigen zu lassen. Die belgische Regie 
rung in Havre, die in dem noch unbesetzten kleinen Südwestzipfel des Landes herrscht, 
hat für dieses Gebiet einen besonderen königlichen arret-loi erlassen, welcher die Lücken 
der bestehenden Gesetzgebung ergänzt. Darnach werden die Gemeinden, die vom Kriege 
gelitten haben, verpflichtet, Gesamtpläne für den Wiederaufbau auszuarbeiten und die 
einzelnen Baugenehmigungen von der Anpassung an diesen Gesamtplan abhängig zu 
machen. Die Gesamtpläne selbst bedürfen der Billigung des Königs und da, wo sie 
eine größere Bedeutung besitzen, der Prüfung und Billigung einer besonders zu er 
nennenden Kommission von Sachverständigen. Auch die notwendigen Zwangsenteig 
nungen werden vorgesehen. Im Gebiete des deutschen Generalgouvernements hat man 
eine derartige Verfügung bisher nicht erlassen. Aber es wird trotzdem eine „Baubera 
tung" ausgeübt werden. Der Referent der Zivilverwaltung für Städtebau und Hoch 
bauwesen, Baurat Rehorst, der durch seine Tätigkeit als Beigeordneter des Bürger 
meisters von Köln sich einen wohlverdienten Ruf erworben hat, wird von allen Plänen 
Einsicht nehmen und seine reiche Erfahrung zur Verwertung bringen. Aus der am 
28. und 29. August 1915 in Brüssel abgehaltenen deutschen Kriegstagung für 
Denkmalspflege, zu der sich eine Reihe hervorragender Kunsthistoriker, Architekten 
und Vertreter der Denkmalspflege aus den deutschen Bundesstaaten, aus Oesterreich-
	        
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