Volltext: Der Völkerkrieg Band 6 (6 / 1916)

Aus den besetzten Gebieten 
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wird nun wider besseres Wissen ein systematischer Vernichtungstrieb oder der Hang zu 
willkürlichen Gewalttaten als Grund einer jeden solchen Beschießung untergeschoben. ... 
Nicht um den törichten Vorwurf der blindwütigen Barbarei zurückzugeben, sondern 
um die furchtbare Notwendigkeit des Krieges zu zeigen, deren Logik sich jene feindlichen 
und neutralen Stimmen böswillig zu entziehen suchen, ist es von Wert, festzustellen, 
was die Franzosen und neben ihnen die Engländer und die Belgier selbst 
an unserer Westfront in der Kampflinie zwischen Nieuport und Belfort zerstört haben. 
Da ist vor allem die Stadt Dixmuiden, die, in dem Kampfe um ihren Besitz von 
beiden Seiten beschossen, dem systematischen Bombardement seitens der Engländer und 
Belgier zum Opfer gefallen ist. Die ganze einst so blühende Stadt ist jetzt nur noch 
eine Trümmerstätte. Die riesige St. Nikolauskirche, neben den Kirchen von Gent, 
Brügge, Ipern, Tournai die mächtigste gotische Schöpfung des flandrischen Landes, ist 
in sich zusammengesunken. Der schmerzlichste Verlust ist der kostbare Lettner, unter all 
den Lettneranlagen Belgiens der bedeutendste und großartigste, ein Werk in dem ver 
wegensten Stil fleur, in dem die ausklingende Spätgotik schon ganz mit Renaissance 
motiven durchsetzt war, in der Schmucksülle an spanische Arbeiten erinnernd. Der 
Lettner von Dixmuiden war ebenso ein Höhepunkt der belgischen Skulptur des sechzehnten 
Jahrhunderts, wie die Portalplastik von Reims ein Höhepunkt der französischen Plastik 
des dreizehnten Jahrhunderts war. Und dieses Wunderwerk haben die englischen 
Granaten, — man darf sagen: restlos bis auf einen wüsten Haufen kleiner Brocken — 
zerstört. In jenem Teil von Flandern, der jetzt so schwer unter den Beschießungen 
gelitten hat, sind durch die englischen Geschütze völlig zerstört: die Kirchen zu Mes 
sines, Wytschaete, Hollebeke, zu Langhemarck, Poelcapelle, Bece- 
laere u. a.m. Schwer beschädigt sind die Kirchen zu Vladsloo, Eessen, West- 
roosebeke. In Messines ist auch das große Kgl. Institut für die Erziehung von Töch 
tern alter Militärs, eine Stiftung der Kaiserin Maria Theresia, gänzlich und systematisch 
zerschossen, weiter das alte Schloß in Hollebeke und das neue Schloß in Voorme- 
zeele, ganz zu schweigen von den Zerstörungen, die die belgischen und englischen Ge 
schütze in West ende und an der weiteren Seefront angerichtet haben (S. 154). In 
Warneton, südlich von Ipern, ist das Langhaus der großen gotischen Kirche durch 
das englische Bombardement völlig zerstört. 
Gar nicht auszuzählen ist die Reihe der Orte, die an der Nord- und Nordwestfront 
zerstört sind und denen die gewaltigen Kämpfe der letzten Monate den Rest gegeben 
haben. Zwischen Armentieres und Arras sind die vordersten Ortschaften, jetzt von den 
Bewohnern völlig geräumt, systematisch entzwei geschossen, zumal die Kirchen immer zu 
erst zerstört. Die Kirche in dem vielgenannten La Bassäe zeigt ein Bild vollkommener 
Verwüstung: die Westfront total zertrümmert, die Gewölbe durchgeschlagen. 
An der französischen Westfront sieht es nicht anders aus. Hier ist am meisten zu 
beklagen der Verlust der schönen Peterskirche in Roye. Der weiträumige dreischiffige 
Bau mit Umgang um einen Chor vom Anfang des sechzehnten Jahrhunderts war eines 
der schönsten und geistreichsten Denkmäler jener schon mit einzelnen dekorativen Re 
naissancemotiven durchsetzten Spätgotik. Der seingegliederte, ganz aufgelöste Vierungs 
turm ist eingestürzt, die Westfront durchschlagen, im Langhaus sind alle Gewölbe zu 
sammengebrochen, dabei sind auch in den Seitenschiffen die reichen, vielgerühmten spät 
gotischen Glasgemälde unwiederbringlich in tausend Stücke gesprungen. Durch das schon 
monatelang andauernde Bombardement in der Gegend von Noyon, das auf die Stadt 
selbst gerichtet ist, und durch das dauernd die Kathedrale gefährdet wird, sind eine 
ganze Reihe von Schlössern in der Umgegend völlig zerstört, darunter das hochgelegene 
Schloß Larbroye, und erst in jüngster Zeit das Schloß Mont Renault.
	        
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