Volltext: Der Völkerkrieg Band 6 (6 / 1916)

Aus den besetzten Gebieten 
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Die Deutschen hinter der Front in Westflandcrn 
Ueber die Beziehungen, die sich in Westflandern zwischen den deutschen Truppen und 
der flämischen Bewohnerschaft angeknüpft haben, berichtet sehr anschaulich ein Aufsatz 
„von der flämischen Grenze" im „Allgemeen Handelsblad". Daß dieser für die Deutschen 
durchaus wohlwollende Bericht gerade in dem Amsterdamer Blatt steht, das Deutschland 
sonst wenig fteundlich gesinnt ist, erscheint besonders bemerkenswert. Wir geben den 
Artikel mit einigen Kürzungen nach der „Kölnischen Zeitung" (17. VII. 15): 
„Hinter der Front in Flandern wohnt eine friedliebende und freundliche Bevölkerung. 
Die Leute hängen an ihrem Heimatboden, den sie nur in der äußersten Not verlassen; 
so ist trotz aller Gefahren der größte Teil der Bewohner dageblieben. Nur die Dörfer, 
die andauernd beschossen werden, sind zum Teil geräumt worden. Und da ist es wohl 
merkwürdig zu hören, wie gut das Verhältnis zwischen Flamen und Deutschen ist. 
Nicht daß der Flame seine Würde wegwirft, indem er den Sieger als Freund behandelt 
und mit ihm Brüderschaft macht. Aber das Verhältnis trägt nicht das Merkmal der 
Feindschaft, wohl aber das reiner Menschlichkeit. 
Ein großer Teil des deutschen Heeres hinter der Front ist bei den Bauern und aus 
den Dörfern einquartiert, so daß allmählich ein kameradschaftliches Verhältnis zwischen 
den einquartierten Deutschen und den flämischen Bewohnern entsteht. Letztere freuen 
sich, wenn die deutschen Soldaten unverletzt aus der Front zurückkehren; sie zeigen um 
gekehrt ihre Betrübnis, wenn welche gefallen sind. Wenn deutsche Soldaten zur Front 
müssen, ist allgemeines Bedauern. Man nimmt Abschied von ihnen, und manchmal 
blinkt eine Träne im Auge einer Mutter, die vielleicht an ihren drüben im andern 
Schützengraben liegenden Sohn denkt, einer Frau, die sich ihren Gatten und den Vater 
ihrer Kinder vorstellt, der so nahe ist und doch so unerreichbar weit. In echter Naivität 
gab einmal eine solche Frau einen Brief einem deutschen, nach der Front zurückkehrenden 
Soldaten mit und bat: „Wenn Sie meinen Mann sehen, händigen Sie ihm, bitte, 
diesen Brief ein." Viele meinen wirklich, daß zwischen beiden Kampflinien eine Art 
Briefverkehr besteht; denn immer wieder werden die deutschen Soldaten ersucht, Briefe nach 
Ipern mitzunehmen. Noch bezeichnender und rührender ist folgender Vorfall zwischen 
einem deutschen Soldaten und einem flämischen Mädchen: Das brave Kind mit den 
vertrauenden Augen kommt zu dem Soldaten, von dem sie wußte, daß er allsogleich 
nach der Front gehen würde. „Herr Soldat, ich möchte dich fragen, ob du mir einen 
großen Gefallen tun willst." — „Gewiß mein Kind," war die freundliche Antwort. — 
„Nun, so nimm die Apfelsine von mir und morgen werde ich dir sagen, was ich gern 
von dir wünschte." Am folgenden Morgen kommt die Kleine zurück; in ihrer Hand 
hält sie ein kleines Paket; mit bebenden Fingern macht sie es auf. Zwei Photographien 
liegen darin. „Von meinem Vater und von meinem Bruder," sagt die Kleine, „beide 
sind im Krieg, guck sie dir genau an, Herr Soldat, damit du sie gut kennst. Wenn du 
nun im Krieg bist, schieß sie mir nicht tot!" Man müßte ein Herz von Stein haben, 
um durch solch rührendes Vertrauen nicht betroffen zu werden. 
Kein Wunder, daß der deutsche Soldat sich in dieser Gegend zu Haus fühlt. Einer, 
der zu Anfang des Krieges bei Metz lag, auf deutschem, aber französisch gesinntem 
Gebiet, erzählte, daß er, je weiter er nach Westen vorgerückt sei, es um so besser ge 
funden hätte; und als er zuletzt in die Nähe von Dixmuiden gekommen sei, habe er 
eine Bevökerung angetroffen, mit der sich aus die angenehmste Weise verkehren ließe. 
Obwohl ganz nahe der Kampffront, könnten die deutschen Soldaten dort ohne Waffen 
überall umher- und von einem Bauernhof zum andern gehen. Selbst Freundschaft wird 
hier und da geschloffen, so daß gar mancher deutscher Landwehrmann seine flämischen 
Quartierwirte eingeladen hat, sie möchten ihn nach dem Kriege besuchen.
	        
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