Volltext: Der Völkerkrieg Band 6 (6 / 1916)

202 Die Ereignisse an der Westfront im dritten Kriegshalbjahr 
Die erste Bombe platzt nicht. Die zweite fällt am Rand des Bürgersteiges vor einer 
kleinen Kneipe nieder, die in einem hohen weißen Hause untergebracht ist, und schlägt 
ein ungeheures Loch in den Boden. So heftig war hier der Luftdruck, daß die Fenster 
läden dieses und des Nachbarhauses aus den Angeln gerissen werden. Die umherfliegen 
den Glassplitter der zertrümmerten Fensterscheiben verwundeten viele Bewohner dieser 
Häuser an den Händen und im Gesicht. Schwer getroffen wurden hier sieben Personen. 
Etwas höher oben in derselben Straße fiel eine Bombe in einen Hos, in welchem ein 
sechs Stock hohes Mietshaus steht. Das Haus wird von oben bis unten in zwei Teile 
gerissen. Man sieht in zerstörte Zimmer hinein, in denen zertrümmerte Möbel herum 
stehen, die Fetzen herumhängen. Als die Feuerwehrleute im Schein der Fackeln diese 
Trümmerstätte durchsuchen, finden sie hier neue Opfer. 
Vorsichtshalber, obgleich man wußte, daß der „Zeppelin" schon weit weg war, wurde 
erst in später Stunde der Alarm abgeblasen; es war genau 1 Uhr und 10 Minuten früh. 
Wieder durcheilten die Wagen der Feuerwehr die Stadt und gaben das Zeichen zur 
Ruhe. Um diese Zeit war aber kaum noch ein Mensch in den Straßen; die meisten 
Pariser hatten erst gar nicht diesen Augenblick abgewartet, um ruhig einzuschlafen .. 
Präsident Poincarä besuchte die heimgesuchten Stadtteile sowie die Verwundeten in 
den Lazaretten und der Munizipalrat beschloß, einen Kredit von 20000 Francs zur 
Unterstützung der durch den Luftschiffangriff betroffenen Familien bereitzustellen. Auf 
dem Friedhof Pere Lachaise wird den Opfern ein eigenes Grab gewidmet werden. 
Während der deutsche Luftkreuzer, der am Samstag abend Paris angriff, das nord 
östliche Viertel von Paris, das Arbeiterviertel von Belleville heimsuchte, erfolgte der zweite 
Angriff am Sonntag den 30. Januar gegen den südlichen Teil der Hauptstadt, das Viertel 
von Montrouge, wo der Kreuzer zwei Bomben aus die Rue d'Alesia und eine dritte 
Bombe aus die Avenue d'Orleans schleuderte. Das Luftschiff, das sich von Norden her 
näherte, traf kurz nach 10 Uhr über der Stadt ein, die um 9.50 Uhr alarmiert worden 
war; bereits um 11% Uhr soll der Alarm wieder beendet und die Beleuchtung wieder 
hergestellt worden sein. Es scheint aber, daß das deutsche Luftschiff vornehmlich einige 
Ortschaften der Bannmeile von Paris mit Bomben belegte und zwar besonders die 
nördlich gelegenen Vororte Montmorency, Ecouen, St. Denis und andere. Nach einer 
Angabe soll auch das im Süden gelegene Sceaux mit Bomben belegt worden sein. 
Dieser zweite Luftangriff steigerte noch die allgemeine Entrüstung über die Schutz 
losigkeit, der Paris gegen die deutschen Luftschiffe preisgegeben war. In der 
Kammer kam es zu einer erregten Auseinandersetzung, in deren Verlauf der Kriegs 
minister die Interpellation des Abgeordneten Dejeante ablehnte und der Minister 
präsident Briand aus die Bemerkung der konservativen Abgeordneten Benoist „immerhin 
sollte der Krisis des Flugwesens abgeholfen werden," erregt antwortete: „Die Krisis 
des Flugwesens existiert nicht!" Darauf Benoist: „Was nicht existiert, das ist die Re 
gierung," worauf Briand den Unterstaatssekretär des Flugwesens, den Advokaten Bes« 
nard, in Schutz nahm und mit dem Versprechen des Kriegsministers, er wolle den zu 
ständigen Kommissionen alle Aufklärungen geben, der Diskussion, aber nicht der allge 
meinen Erregung, ein Ende machte. Wie sehr diese der Verstimmung des Landes ent 
sprach, ist, wie die „Frankfurter Zeitung" (8. II. 1916) hervorhebt, aus der Presse, so 
besonders auch aus den Artikeln des „Petit Journal" ersichtlich, eines Blattes, das 
sich stets bemüht, der großen Menge zu gefallen. „Was aus ihnen unverkennbar her 
vorgeht, das ist die Beunruhigung der Bevölkerung, ihre Unzufriedenheit mit der Re 
gierung und damit eine „moralische Wirkung", die durch das Geschrei nach Repressalien 
und das Lob, das die Blätter „der bewunderungswürdigen Haltung der Pariser" 
glauben spenden zu müssen, mehr unterstrichen als abgeschwächt wird."
	        
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