Volltext: Der Völkerkrieg Band 6 (6 / 1916)

190 Die Ereignisse an der We st front im dritten Kriegshalbjahr 
denen sie sich vom Keller bis zum Speicher breit machen, erst recht. Die Unterstände 
wimmeln von diesen ekelhaften Tieren, die „wie die Deutschen an der Iser" in geschlossenen 
Bataillonen die Soldaten angreifen. Die ganze Westfront mit Ausnahme der Gegend 
von Eparges und Tahure ist mit ihnen angefüllt. Der Hunger macht sie rasend und 
dadurch für die schlafenden Soldaten geradezu gefährlich. Sie schonen nichts, selbst die 
Päckchen mit Verbandzeug schleppen sie fort. Die sog. „kleinen Rationen" wie Zucker, 
Salz, Kaffee u. dgl. sind den Mannschaften längst schon weggenommen worden, weil sie 
auf die Ratten eine unwiderstehliche Anziehungskraft ausüben, und die übrigen Lebens 
mittel werden in Kisten aus starkem Eichenholz verschlossen gehalten. Da aber auch 
diese der Gier der Ratten keinen genügenden Widerstand leisteten, so hat man sich jetzt 
dazu entschlossen, die Kisten an Eisendrähten einen Meter über dem Boden aufzuhängen, 
aber auch dieses Mittel hilft nicht viel. Denn die Ratten haben klettern gelernt, sie 
laufen an den Wänden empor oder beißen sich durch die Holzdecken und lassen sich dann 
aus die Kisten mit Lebensmitteln niederfallen. Das Niederdrückende bei dieser Plage 
ist, daß alle Abwehrmittel versagen. Gegen die Deutschen haben wir „unsern Joffre", 
aber gegen die Ratten haben wir nur gelehrte Untersuchungen und papierne Rezepte. 
Bei „Friedensratten" mögen die chemischen Zusammensetzungen, alle diese so warm 
empfohlenen Pulver und Flüssigkeiten wohl von Nutzen sein, aber die Kriegsratten, die 
so groß sind wie Kaninchen, lachen über das Papier, mit dem man sie vertilgen will." 
Von der Tätigkeit des Abschnittkommandeurs 
Aus dem Feldpostbrief eines Ordonnanz-Offiziers 
Mein Bataillon kam im neubezogenen Frontabschnitt als erstes in vordere Linie. Da 
brauchte es genauer Abmachungen, denn durch die kilometerlangen Annäherungsgräben 
kann man nur im Gänsemarsch maschieren. Dies zieht die Kolonne sehr in die Länge. 
Andererseits muß des Artilleriefeuers wegen jede Ansammlung von Truppen in vorderer 
Linie vermieden werden. So wird Ein- und Ausmarsch der Abteilungen in die 
Stellung auf die Minute geregelt. Sonst könnten sich die langen Kolonnen in den 
Gräben begegnen oder kreuzen, abreißen oder den Graben verstopfen, und es käme 
zu großen Verwirrungen. Umsichtig, wie man im Kriege sein muß, muß mit Flieger 
wetter gerechnet werden oder gar mit ungünstigem Gaswind. Außer an die Kompanien 
selbst ist noch an viel zu denken. Da müssen Kommandos zur Uebernahme der Mate 
rialien voraus. Die Aussendung der besonderen Betonier-, Entwässerungs- und Pionier 
trupps hat zu geschehen. Jeder solchen Abteilung müssen Führer gestellt werden. Die 
Wege-, Graben-, Forst-, Polizei- und Depot-Unteroffiziere mit ihren Leuten müssen an 
den verschiedensten Punkten ihre Vorgänger ablösen, kurz es ist ein großer Klimbim. 
„Abschnittskommandeur" oder „Kampftruppenkommandeur", dem acht Kompanien — 
teils vorn, teils in Bereitschaft — unterstellt sind, ist jeweils der Bataillonskommandeur 
der Kompanien in vorderer Linie. Er befehligt die eingesetzten Teile seines Regiments, 
sorgt für das Zusammenarbeiten mit der Artillerie und mit den Pionieren und ist 
auch für den Ausbau und die Instandhaltung der ersten und zweiten Stellung ver 
antwortlich. Zu diesem letzteren Zweck sind aus dem Offizierskorps besondere Offiziere 
ausgeschieden. Da gibts Entwässerungs- und Bauoffiziere, einen Lageroffizier, einen 
fürs Kasino, für Telephon, für Forstwiffenschaft, für Betonieren, einen Zeichenoffizier usw. 
Wenn wir erst einmal mehr zu Hause sind in unserem Abschnitt, werden diese Einrich 
tungen von großem Vorteil sein. Jetzt in den ersten Tagen wars ein Höllendurcheinander. 
Ich habe mich in diesen drei Tagen nicht gewaschen und keinen Schritt in die Stellung 
getan. Das Telephon in unserem Betonklotz, vier Meter unterm Boden und 300 Meter 
hinter der ersten Linie ging ohne Pause. Man ist mit allen Kompanien verbunden,
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.