Volltext: Der Völkerkrieg Band 6 (6 / 1916)

172 Die Ereignisse an der Westfront im dritten Kriegshalbjahr 
geschnitten von einem kunstfertigen Soldaten, den der Kommandeur eines Abends bei 
Kerzenlicht, durch seinen eigenen Schatten an der Wand angeregt, zum Silhouettieren 
„kommandiert" hatte sozusagen. Das Kino, das in der geräumigsten Scheune des Divi 
sionsstabsquartiers eingebaut wurde, ist mit seiner gewölbten Balkendecke, den geschickt 
aufgeteilten Wandflächen, der hübschen Bühnenumrahmung ein kleines Musterbeispiel 
dafür, wie sich mit den einfachsten Mitteln etwas Herrichten läßt, das in seiner Art 
vollendet ist. Ueberraschender noch wirkt manchmal die Verwendung alter Räume in 
„behelfsmäßiger" Form. Ebenso einfach wie verblüffend war das Kasino eines Regi 
ments in einer Mühle untergebracht, der riesige Mahlstein diente als Tisch, das Mühlen 
rad als Kronleuchter. Das Merkwürdigste aber war doch wohl jenes festliche Frühstück 
in einem schon berühmt gewordenen Felsenkeller, der unter einem Kuhstalle zum Vor 
schein gekommen war und ein wohlerhaltenes Pfeilergewölbe aus karolingischer Zeit auf 
wies. War man da noch im Kriege? Die Herren Wirte, die uns fröhlich Bescheid 
taten, waren am selber. Vormittag aus der Stellung gekommen. Ein paar Tage vorher 
erst war das hochgelegene Dorf beschossen worden. Kein Zweifel, der Friede ließ noch 
zu wünschen übrig. Aber an den Krieg, wie er nun einmal beschaffen war, hatte man 
sich gewöhnt, man trotzte ihm, und damit fertig. 
Hier sei noch ausdrücklich vermerkt, wie die deutschen Barbaren französische Kunst 
werke vor den Franzosen schützen. Die zerschossene Kirche desselben Dorfes, in zierlicher 
Frühgotik errichtet, beherbergte u. a. auch Arbeiten von Ligier-Richier (1500—1567). 
Man hat die Kanzelreliefs vorsichtig abgelöst und in Sicherheit gebracht. Das Haupt 
werk des Bildhauers in der großen Michaeliskirche zu St. Mihiel, ein großes Grabmal 
mit dreizehn Standbildern, ist mit großer Sorgfalt granatensicher durch Sandsäcke ein 
gedeckt. Wir können es getrost unseren Feinden überlassen, den nötigen Vorwand für 
ein derart schamloses Vorgehen gegen berühmte Kulturwerke aufzufinden. 
Die Versorgung dieses wimmelnden Kriegslagers wäre unvergleichlich schwieriger, 
wenn nicht an Ort und Stelle industriell und handwerklich gearbeitet würde. In einem 
Dorfe des Westhanges, der, ganz im Gegensatze zum Osthange, wasserreich ist, sind zwei 
Sägewerke eingerichtet. Eine Ziegelei ist neu entstanden, Betonklötze für Unterstände 
werden gegossen, und Feldbahn« und Fuhrparkkolonnen schaffen unermüdlich das Ma 
terial nach vorn. Ein Sägewerk, das zum Elektrizitätswerk umgebaut wurde, treibt 
eine Bergbahn und verteilt seine Kraft weithin in die zerschossenen Dörfer bis in die 
Höhlen der vordersten Stellung hinein. Die Straßen — wie oft müssen sie erneuert 
werden! Es gibt hier kein hartes Gestein in der Gegend, die Eisenbahn bringt die 
Schlacke aus dem Grubengebiet heran, gefangene Russen sind eifrig bei der Arbeit. 
Aber schon nach drei, vier Wochen haben die Kolonnen die Schlacke zermahlen. Der 
Regen tut ein übriges, der Schlamm wächst, und wieder beginnt der Straßenbau. 
Der Kamps gegen den Schmutz und — die Läuse beginnt nicht erst in der großen 
Etappenstation, sondern hier vorne an der Front. Neben dem Lausoleum erglänzt unter 
den Obstbäumen das zementierte Schwimmbad, im heißen Sommer gewiß ein neuer 
Jungbrunnen. Das Lazarett nicht zu vergessen, das teils in der Ortskirche, teils in 
Baracken daneben untergebracht ist. Natürlich können sich diese Einrichtungen der Di 
vision nicht mit den großen Anstalten der Etappe messen. Das dortige Lausoleum be 
wältigt täglich 1000 Mann und mehr, wenns sein muß; die ganze Anlage hat dabei 
nur 1500 Mark gekostet. Das große Brauereigebäude, das dazu hergerichtet wurde, 
enthält außerdem noch die von Proviantbeamten musterhaft geleitete Korpsschlächterei, 
die mit 1500 Rindern, 2000 Schweinen, 500 Hammeln monatlich ganz stattliche Schlacht 
ziffern aufweisen kaun. In einem benachbarten Orte ist das Kriegslazarett in einem Schul 
neubau errichtet worden. Kosten 10000 Mark. Vor dem Lazarett war das große Ge-
	        
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