Volltext: Der Völkerkrieg Band 6 (6 / 1916)

168 Die Ereignisse an der We st front im dritten Kriegshalbjahr 
Wirkung ist erschreckend! Die Antwort bleibt aber nicht lange aus, denn nun setzt auch 
die französische Artillerie ein. Von zwei Seiten halb flankierend überschüttet sie unsere 
Gräben mit einem tollen Feuer, das noch verstärkt wird durch die schweren Geschosse, 
die die Außenforts der in der Nachbarschaft der Argonnen liegenden Festung Verdun 
ab und zu zu uns herübersenden. Der Abschuß dieser gewaltigen Zuckerhüte ist bei uns 
nicht zu vernehmen, nur ein langsames dumpfes Zischen meldet ihr Nahen. Wo sie Hin 
treffen, da bietet kein noch so bombensicherer Unterstand genügenden Schutz In dieses 
Artillerie- und Minenkonzert mit seinem Höllenlärm mischt sich dann noch der grelle 
helltönende Krach der berstenden Hand- und Gewehrgranaten. Aber alles dies ist für 
uns altersahrene Argonnenkämpfer, die wir schon seit langer Zeit in den Schrecknissen 
dieses wilden Gebirgskrieges erfahren und erprobt sind, zahlreiche Offensiv- und Desenstv- 
gefechte hinter uns haben, und dabei zeigen konnten, daß wir in den seinen Künsten des 
Mars nicht unerfahren sind, etwas so Alltägliches, daß wir weiter kein Aufheben davon 
machen und dieses Höllenkonzert gewissermaßen als zum Tagespensum gehörend betrachten. 
Nun ist aber plötzlich ein Erdstoß zu verspüren, der uns doch aus der Ruhe bringt, 
denn jeder hat das Gefühl, als wolle der Berg einstürzen! Der Boden unter uns wird 
hin- und hergeworsen, ein fürchterlicher Knall erdröhnt und giftige Gase verpesten die 
Luft. Alles springt erschreckt in die Höhe. Links von uns ist der halbe Berg in eine 
Rauchwolke gehüllt: „Sie haben gesprengt!" ruft uns mit unterdrückter Stimme ein 
vorbeieilender Pionier zu. Die Franzosen hatten, wie schon öfter, einen ihrer bis unter 
unsere vorderen Gräben getriebenen Stollen in die Luft gejagt. Ein Parallelstollen, 
den unsere Pioniere unter die französischen Gräben zu treiben im Begriffe waren, wurde 
durch die Sprengung des Gegners mit eingedrückt. Leider kamen dabei auch einige 
unserer Kameraden ums Leben. Nach mühevoller Bergungsarbeit werden diese Braven 
wieder zu Tage geschafft. Auf dem Pionierfriedhof in der Nähe finden sie ihre letzte 
ehrenvolle Ruhestätte. 
Von der französischen Sprengung wird der Abteilungskommandant sofort telephonisch 
in Kenntnis gesetzt. Inzwischen haben aber auch unsere Pioniere einen ihrer unter 
die französischen Gräben vorgetriebenen Stollen mit der nötigen Dynamitladung 
versehen. Die elektrische Zündung ist angelegt, zwei Pioniere liegen zur Beobachtung 
der Sprengwirkung in gedecktem Ausguckposten. Ein Pionier-Feldwebelleutnant steht 
am elektrischen Apparat, in der linken Hand die Uhr haltend. „Punkt 11V- Uhr 
soll gesprengt werden!" „Endlich" brummt der schon etwas ungeduldig gewordene alte 
Offizier, als die vorgeschriebene Zeit gekommen war, steck dann den kleinen Schlüffe! 
in den Apparat, eine halbe Drehung nach rechts und in demselben Augenblick fliegt mit 
donnerndem Getöse ein feindliches Grabenstück mitsamt der Besatzung in die Lust. Das 
war deutsche Antwort auf die feindliche Sprengung. Im Verein mit unseren Minen- 
wersern nimmt jetzt unsere schwere Artillerie die französischen Stellungen unter ein 
intensives Feuer, der Feind antwortet in derselben Weise, und so nimmt ein Vernichtungs 
kampf seinen Fortgang, wie er in früheren Kriegen kaum seinesgleichen gehabt haben dürfte. 
Von I2V2 bis 2V2 Uhr tritt in der Regel eine Feuerpause ein. Die vorübergehende 
Zeit der „Ruhe" benutzen wir zum Herbeischaffen von allerhand Materialien, die wir 
zum Ausbau und zur Instandsetzung unserer Unterstände benötigen. Die Bauarbeiten 
selbst können wir aber nur in der Nacht ausführen, denn man darf sich dabei vom Feinde 
nicht sehen lassen. Uebrigens geht es den Franzosen gerade so; es haben sich auf beiden 
Seiten fast dieselben Kampfesmethoden herausgebildet, die die Erfahrung in diesem Wald- 
und Gebirgskampf gezeitigt hat. Auch die Lebensmittel werden auf diese Weise meist 
unter dem Schutze der Nacht hinter der Front herangeschafft. Gegen 3 Uhr geht es dann 
wieder von neuem los.
	        
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