Volltext: Der Völkerkrieg Band 6 (6 / 1916)

164 Die Ereignisse an der Westfront im dritten Kriegshalbjahr 
Von den deutschen und französischen Stellungen bei Noyon 
Besonders interessante Unterkünfte haben sich die deutschen Truppen bei Noyon ge 
schaffen, wo die vordersten deutschen Posten eine Meile südwestlich der Stadt seit Mitte 
September 1914 die sogenannte „Nase von Dreslincourt" nur 84 Kilometer von Paris 
entfernt besetzt halten. 
Auch hier ist, kaum hundert bis höchstens 300 Meter von den französischen Linien 
entfernt, in der Bewegung von vielen Hunderttausenden von Kubikmetern Erde und der 
Herstellung modernster Befestigungsanlagen eine ungeheure Arbeit geleistet worden: „So 
entstand," schreibt Kurt Freiherr v. Reden dem „Stuttgarter Neuen Tagblatt" (22. XII. 1915), 
„ein wahres Labyrinth von sich scheinbar ganz regellos durcheinander windenden Gräben, 
die naturgemäß alle ihre Namen haben. Es gibt einen Pommern-, Sachsen-, Brabanter-, 
Bayern- und einen Spreegraben, einen Königs-, Krokodil- und Landwehrgang, um nur 
einige der vielen Namen zu nennen, die ja unbedingt zur Bezeichnung nötig sind, um 
endlose Beschreibungen der Lage zu vermeiden. Auch ein „Zillertal" gibt es mit einer 
„Berliner Hütte", in der ein junger Kompanieführer haust." 
Noch interessanter aber ist das Höhlenreich nächst Noyon. Auch dies hat Kurt Frei 
herr v. Reden Anfang 1916 besucht und im „Stuttgarter Neuen Tagblatt" (7.1.1916) 
u. a. darüber folgendes erzählt: „Eine der vielen Höhlen erreichen wir nun, die die 
Bevölkerung hier seit Jahrhunderten geschaffen hat. Weit im Umkreise sind Dörfer und 
Städte aus ihrem Gestein erbaut, das sich so leicht und dankbar bearbeiten läßt. Man 
kann es sogar ganz leicht mit dem Messer schneiden. . . . Die Höhlen selbst sind 
nicht übermäßig hoch, zwischen drei und sechs Metern nur, aber weitläufig in die 
Breite und Länge gegraben, und überall hat man mächtige Säulen und dicke Pfeiler 
stehen gelaffen, die die Last des Hügels darüber zu tragen haben. Es ist kühl und 
ttocken hier und so gesund zum Leben, als es in einer Höhle, also ohne Tageslicht, nur 
sein kann. Bewundernswert ist es aber, wie man sich hier einzurichten verstanden hat. 
Da und dort sind Quadermauern errichtet, um allzugroße Räume abzuteilen. Ueberall 
brennt das elektrische Licht und Hunderte von kleinen Karbidlampen schwanken in der 
Hand ihrer Träger in abgelegenen, wenig benützten Teilen dieses unterirdischen Reiches 
durch das Dunkel. Eine Menge von Tafeln, blendend weiß gestrichen, mit Inschriften, 
schwarzen oder roten Pfeilen, sorgt, daß sich niemand verlaufe, und mancher Teil dieses 
Höhlensystems erinnert lebhaft an eine große Kreuzungsstation der Berliner Untergrund 
bahn. Die Höhlen im Jsonzogebiet aus der Hochfläche von Doberdo sind lange nicht 
so bequem. Das sind Naturhöhlen im Kalkstein, die das rieselnde Wasser geschaffen hat, 
meist viele Stockwerke hoch, uneben und voller Klüfte, so daß sie nur mit Pfosten und 
Brettern für Treppen, Aufbauten und Böden verwendbar waren. Hier fahren Train 
kolonnen durch und bleiben die Reiter zu Pferde — ein phantastisches, seltsames Bild! 
Ganze Regimenter könnte man hier unterbringen, wenn es sein müßte, in dieser 
Unterwelt. Die Schlafräume der Mannschaft sind mit Holzgestellen versehen, die 
— mit Draht durchflochten — weiches Liegen ermöglichen. Stroh kommt dann darüber 
und zwei warme, wollene Decken. Aehnlich sind die Lazarette ausgestattet, in denen die 
Apotheke und die Einrichtung für chirurgische Behandlung nicht fehlt. Sogar her 
metisch verschlossene Klosetts gibt es hier für den Fall langdauernden Trommelfeuers. 
Nahrungsmittel aller Art, Munition, Handgranaten, Minen, kurz alle Bedürfnisse für 
Kampf und Ruhe sind reichlich vorgesehen. Ganz unregelmäßig, wie es eben der Zufall 
mit sich brachte, zweigen da und dort' lange Gänge ab, die sich oft zu weiten Sälen ver 
breitern, die noch unbenützt in tiefster Finsternis liegen. Sie waren aber stark benützt 
vor dem Kriege zu unendlich friedlichen Zwecken. Ihr ganzer ebener Boden ist bis auf 
einen schmalen Weg mitten durch von staubfeinem Erdreich bedeckt, das in schnurgerade
	        
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