Volltext: Der Völkerkrieg Band 6 (6 / 1916)

118 Die Ereignisse an der Westfront im dritten Kriegshalbjahr 
geschleudert und gelacht haben, als die Glieder in die Luft flogen, werden sich ebenso 
herzlich über die Sprünge einer Katze oder über die Versuche eines französischen Bauern 
mädchens, Englisch zu radebrechen, unterhalten." 
Zwölf Stunden in französischer Gefangenschaft 
Es war am 30. Oktober 1915 an der Westfront. Franzosen sind in einen der deut 
schen vordersten Gräben eingedrungen und haben einen Offizier mit dem Rest seines 
Zuges nach verzweifelter Gegenwehr gefangen genommen. Wie sich die Deutschen be 
freiten und die Franzosen zu Gefangenen machten, erzählt der deutsche Offizier in der 
„Kölnischen Zeitung" (25. XI. 1915) folgendermaßen: „Als es Abend wurde, berieten die 
Franzosen, die infolge unseres Sperrfeuers keine Verbindung mit ihren hintern Linien 
hatten, wie sie uns abtransportieren könnten, doch schienen sie zu keinem Resultat zu 
kommen. So lagen wir denn die ganze Nacht im Graben, umgeben von den blitzenden 
Bajonetten der Franzosen. An Schlaf war natürlich nicht zu denken, und die Stimmungen, 
die mich befielen, lassen sich nicht schildern. In Gedanken befand ich mich schon auf dem 
Transport in ein französisches Gefangenenlager, begafft von einer grinsenden Menge. 
Die Hoffnung, aus dieser ungemütlichen Lage wieder befreit zu werden, will nicht 
weichen. Je mehr es dem Morgen zugeht, desto größer wird sie. Der Mangel an 
Entschlußfähigkeit der Franzosen, mit uns etwas anzufangen, steigert meine Hoffnung 
und ich versuche nun, mich mit den Offizieren über die verworrene Situation zu unter 
halten. Sie sind aber ihrer Sache noch ziemlich sicher. Aus ihrer leisen Unterhaltung 
entnehme ich, daß es ihnen zunächst nur darum zu tun ist, einen Vizefeldwebel, der mit 
mir gefangen wurde, und mich fortzuschaffen; zu diesem Zweck beauftragen sie einen 
Sergeanten, einen Weg nach rückwärts ausfindig zu machen, aber das Artilleriefeuer 
hindert auch hieran. 
Langsam graut der Morgen. Die Franzosen werden jetzt unruhiger. Ihre Sieges 
gewißheit weicht, als sie so gar keine Verbindung mit ihren Truppen bekommen können. 
Diese Stimmung suche ich auszunutzen und ihnen klarzumachen, daß es noch nicht ausgemacht 
sei, ob wir oder sie die Gefangenen feien, und ich mache ihnen den Vorschlag, mit mir zu 
gehen. Der Oberleutnant ist denn auch gleich mit meinem Vorschlage einverstanden und 
will gleich mitgehen, der Hauptmann aber meint: „seulementde force!“ Ich werde jetzt 
meiner Sache sicherer und wage es, über den Graben hinaus nach unserer Stellung zu 
sehen, um festzustellen, ob nicht unsere Truppen in der Nähe sind. Leider sehe ich zunächst 
nichts. Nach einer kleinen Weile höre ich hinter mir einen gedämpften Ruf: „Ist dort 
die achte Kompanie?" Ich sehe wieder über den Graben hinaus und sehe in einem Lauf 
graben hinter mir drei Gestalten, die sich unserem Graben nähern. Ich rufe ihnen 
zu: „Hier ist die achte Kompanie, aber gefangen!" Die drei machen nun, daß sie auf 
dem schnellsten Wege wieder fortkommen. Jetzt war ich aber auch sicher, daß die Fran 
zosen, die über uns hinweggestürmt waren, nichts erreicht hatten, sondern getötet oder 
gefangen genommen waren, und so beginne ich denn von neuem mit den Franzosen zu 
verhandeln. Sie sind über meine Keckheit, einfach über dem Graben hinwegzurufen, 
nicht wenig erstaunt, und als sie jetzt von mir erfahren, daß deutsche Truppen hinter 
uns seien und den Graben bereits umfaßt hätten, geben sie sich gefangen. Die 
Offiziere übergeben mir die Waffen, den Soldaten werden sie von meinen Leuten ab 
genommen; und nun geht's zurück zu den Unserigen. 
Eine Kompanie ist gerade angesetzt, den Graben nochmals zu stürmen, und man ist 
nicht wenig erstaunt, als man mich mit den Franzosen ankommen sieht. Der Oberst und 
alle Offiziere gratulieren mir herzlichst zu dem Erfolg; ich aber bin froh, daß die Sache 
so glimpflich für mich abgelaufen ist."
	        
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