Volltext: Der Völkerkrieg Band 6 (6 / 1916)

Die Kämpfe an der Westfront während der großen englisch-sranzösischenHerbstoffenfive 117 
Von allen seelischen Eindrücken dieses grauenvollen Krieges ist bis dahin keiner 
tiefer und nachhaltiger in uns haften geblieben, als das hier Erlebte und Geschaute. 
Englischer „Humor" 
Während in Deutschland der Versuch gemacht wird, jede Satire gegen unsere Wider 
sacher totzuschlagen, während von verblendeten Leuten der Haß gegen den Haß gepredigt 
und die berechtigte Empörung unserer Soldaten über die Machenschaften der Einkreiser 
als Sünde hingestellt wird, legen fich unsere Feinde nicht den geringsten Zwang aus 
und gehen in ihren Wutausbrüchen immer weiter. Selbst die englische Presse, die bisher 
den Schein der Vornehmheit zu wahren wußte, steigt immer mehr auf das Niveau der 
verbündeten Apachenpresse hinab. So gibt der Korrespondent des „Daily Chronicle" 
im flandrischen Hauptquartier, Mr. Philipp Gibbs, eine längere Schilderung über „Hu 
mor im Kriege", deren Roheit, wie die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" (30. VIII. 
1915) schreibt, kaum zu überbieten ist. 
„Wir stehen hier allen Brutalitäten des Krieges," schreibt Mr. Gibbs, „ohne senti 
mentale Phrasen gegenüber, deshalb ist unser Humor auch zuweilen ein wenig grobkörnig, 
aber gesund und aufrichtig. Wir können uns zum Beispiel recht herzlich über neue 
und geschickte Methoden, den Feind zu töten, auslachen. Wie lachten wir erst kürzlich 
über die Geschichte jener Deutschen, die von einer Anzahl geschickt geworfener Granaten 
mitten in ihren dicken Bauch getroffen und in Atome zerrissen wurden! Und in der 
vorigen Nacht gab es in der Offiziersmesse unbändige Heiterkeit über die Erzählung eines 
unserer Leute, der bei der Abwehr des Angriffes seine letzte Patrone verschossen hatte. 
„Reich mir mal deinen Spaten her," sagte er zu seinem Nebenmann, und als sechs 
Deutsche um die Ecke kamen, spaltete er den Schädel eines jeden einzelnen mit einem 
tödlichen Schlag. „Famoser Kerl," bemerkte ein Militärgeistlicher mit herzlichem Lachen. 
„Dieser Mann müßte das Viktoriakreuz erhalten." 
„Es war auch ein seltener Spaß, als ein Soldat der Armee Kitcheners kürzlich seinen 
ersten Deutschen mit dem Bajonett erlegte. Er war so stolz aus seine Tat, daß er mit 
einem Fuß auf der Leiche des toten Gegners stand, in der Pose eines Helden in unseren 
Vorstadtdramen. „Ich lachte, bis Tränen über meine Wange liefen," bemerkte ein junger 
Leutnant, der der Szene beiwohnte. 
Einige unserer Soldaten vom Lande tragen auch merkwürdigen Aberglauben zur 
Schau. So traf ein Sergeant kürzlich mehrere Soldaten, die sich außerordentliche Mühe 
gaben, einen toten Deutschen mit dem Gesicht nach unten zu begraben. „Was macht 
ihr da?" fragte er verwundert. „Die Sache ist die," lautete die Erklärung, „wenn der 
Mann anfängt zu schaben, schabt er fich bis zur Hölle durch. Es ist ein alter Aber 
glauben in unserer Heimat." 
„Vor zwei Tagen wurde ich beim Tee mit einem Manne zusammengebracht, der beim 
Regiment allgemein der „Obermörder" genannt wurde. Er ist ein großer Scharfschütze 
vor dem Herrn und einer der letzten sechs Mann, die von 48, die aus Südafrika kamen, 
übriggeblieben sind. Alle diese Leute sind hervorragende Schützen und haben eine große 
Zahl von Deutschen heruntergeschossen. Der „Obermörder" wurde von seinem Obersten 
geholt, damit ich seine Bekanntschaft machen könne, aber er zeigte sich sehr schüchtern 
und bescheiden. Er grinste, als ich ihn fragte, welches seine größte Strecke gewesen 
wäre. „Ich schoß zwölf Stück an einem Nachmittag ab," erwiderte er bescheiden. „Aber 
wenn ich einen oder zwei am Tage töten kann, bin ich zufrieden." 
„Die Tötung von Deutschen ist für diese Leute," so schließt Mr. Philipp Gibbs vom 
„Daily Chronicle" seinen gemütvollen Bericht, „nicht mehr als die Tötung von Un 
geziefer; je mehr, desto besser! Und Leute, die in die Gräben des Feindes Granaten
	        
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