Volltext: Der Völkerkrieg Band 6 (6 / 1916)

108 Die Ereignisse an der Westfront im dritten Kriegshalbjahr 
weilig über die Trübung stegte, war die Beobachtung gegen Süden erschwert. Die 
Franzosen hatten bessere Sicht, beantworteten das deutsche Feuer aber auffallend schwach. 
Ihre Flieger hielten sich säst ganz zurück. Eines ihrer Flugzeuge wurde abgeschossen, 
auch ihre Fesielballons suchte man vergebens, vielleicht weil deutsche Kampfflieger uner 
müdlich über den Linien kreisten. 
Zwischen drei und vier Uhr nachmittags ging unsere Artillerie zu starkem Trommel 
feuer über, auch der Feind antwortete lebhafter auf seiner ganzen Front von Le Mesnil 
bis gegenüber von Ste. Marie-L-Py. Ueber den Hexenkessel von Tahure zog ein un 
durchdringlicher weißer Rauch in langen Schwaden dahin. 
Um 4 Uhr begann der erste Sturmangriff der deutschen Truppen, der so glänzend 
gelang, daß schon nach etwa einer Stunde die Butte de Tahure (Hügel 192) gesichert 
war. Die Beule, die die Franzosen durch die Besetzung der Höhe am 6. Oktober der 
deutschen Stellung beigebracht hatten, war dadurch in ihrem wichtigsten Teile wieder 
zurückgedrückt worden. Der weit vorspringende Teil der deutschen Linie, östlich von 
Tahure, der durch Flankenseuer vom Hügel 192 aus unangenehm bedroht wurde, war 
durch den glücklichen Vorstoß wesentlich entlastet. 
Die Franzosen sind durch den Angriff überrascht worden; erst am nächsten Tage 
haben sie zu einem mißglückten Gegenangriff ausgeholt. Doch war ihr Widerstand 
äußerst zäh. Ihre Stellungen erwiesen sich als vorzüglich ausgebaut. Trotzdem, so 
bestätigten auch die Gefangenen, hat das deutsche Artilleriefeuer vernichtend gewirkt. 
Schritt für Schritt seien die Gräben zusammengefallen. Die Leute hätten sich aus den 
Unterständen ins Freie retten müssen, um nicht völlig verschüttet zu werden. Bei der 
starken Besetzung des wichtigen Punktes waren die französischen Verluste, an denen 
mehrere Regimenter beteiligt sind, sehr groß. Das 80. Infanterieregiment, das auch 
zahlreiche Leute als Gefangene verlor, soll nach Aussagen seiner eigenen Mannschaft 
beinahe aufgerieben worden sein. Unter den Gefangenen, die einen sehr guten Eindruck 
machten, fanden sich älteste und jüngere Jahrgänge gemischt." 
Die Erstürmung der Höhe von Tahure durch deutsche Truppen hat die Franzosen eines 
der wertvollsten örtlichen Gewinne beraubt, die ihnen der große und allgemeine Angriff in 
der Champagne eingebracht hatte. Der 192 Meter hohe, im Nordwesten des Dorfes 
Tahure gelegene Hügel, der nach Angabe der französischen Heeresleitung zu dem System 
der dortigen zweiten deutschen Verteidigungslinie gehörte, beherrscht das umliegende 
Gelände, so auch das vollkommen zerschossene Dorf, und verstärkt daher naturgemäß 
die deutsche Front erheblich. „Die eigentliche Bedeutung des Erfolges bei Tahure, 
ebenso wie des glücklichen Sturmes bayrischer Truppen nordöstlich von Neuville, im 
Raume der Vimy-Höhe (vgl. S. 105), liegt aber," so schreibt die „Frankfurter Zeitung" 
(1. XI. 15), „weniger in dem gewiß sehr nützlichen Raumgewinn und der beträchtlichen 
Beute, als in dem ganz außerordentlich wertvollen moralischen Erfolg: Eines der am 
meisten von den Franzosen gerühmten Stücke ihrer Siegesbeute aus jenem in ganz 
kolossalen Maßstäben angelegten Generalangriff, aus einem Angriff, der alles bisher 
Dagewesene durch seine Wucht und seine technischen Mittel in den Schatten gestellt 
hat, ist durch einen sogenannten improvisierten und nur aus dem Erfordernis oder der 
Gelegenheit der Stunde heraus entstandenen Gegenstoß der Deutschen in unsere Hände 
zurückgefallen. Dieser klare und unbestreitbare Unterschied, diese grundsätzliche Ver 
schiedenheit des Handelns und des Könnens ist so eindringlich und überzeugend, daß es 
sich wohl denken läßt, die Franzosen müßten doch allmählich irre werden im Glauben 
an die Unfehlbarkeit ihrer mathematischen Rechnung, in dem „der Sieg in Etappen" 
nicht nur ein ungewisser Faktor, sondern ein sinnlos eingesetzter Götze ist."
	        
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