Volltext: Der Völkerkrieg Band 6 (6 / 1916)

Die Kämpfe an der Westfront während der großen englisch-französischen Herbstoffenstve 105 
fielen. „Die Luft ist Phosphor oder Chlor, der Atem brennt, die Augen tränen und 
immer, immer Granaten, ganz schwere, große Kaliber von allen Seiten. Die Leute ver 
sagen fast, vom Stickgas übermannt, kaum ist das Feuer durchzuhalten. Aber wo eine 
Hand versagt, verdoppeln die Kameraden ihre Hände. Pflicht! Pflicht! Pflicht! Der 
Druck einer schweren Granate wirft den Offizier zu Boden, sie berstet und wirft drei 
Rohre den Abhang hinunter. Verbogen, zersetzt, blicken drei Lafetten hilflos nach dem 
Feinde zu. Ein Rohr ist noch kampfbereit. Und die Mannschaft? Nur Verwundete, 
kein Toter. Sie verbinden sich gegenseitig, der Rest genügt, das Geschütz zu bedienen. 
Da — wieder so ein Augenblick, in welchem die Nerven versagen. Einer ruft — er 
steht anstürmende Franzosen. Das Geschütz wird mit Kartätschen geladen, andere bereit 
daneben gelegt. Jetzt heißt's, bis zur letzten Möglichkeit feuern, feuern, trotzdem das 
Rohr so heiß ist, daß es zischt, wenn Wasser daran kommt, und die Leute nur mit um 
wickelten Händen daran hantieren können. Feuern, feuern — dann zu Seitengewehr 
und Revolver greifen und — das übrige dem Feind überlassen. Aber es kommt kein 
Mensch, kein Feind. Und niemand erhebt einen Vorwurf des falschen Alarms wegen, 
hat jeder doch vielleicht Aehnliches zu sehen geglaubt — vielleicht gehofft, eine Ablösung 
der entsetzlichen Lage ersehnend. Rückwärts wird die Batterie als abgeschnitten, wahr 
scheinlich zum Teil gefangen gemeldet. Aber ste feuert noch immer aus dem einen Rohr. 
Ein Kommando Pioniere taucht plötzlich auf, sie sollen nach Möglichkeit die Stellungen 
wieder Herstellen. Das eine Geschütz steht gut, die anderen drei brauchen keine Hilfe 
mehr. In strömendem Regen legen sie sich hinter Maulwurfhügel, Schollen, die die 
Granaten auswarfen, in Deckung. Der Regen brachte die Rettung. Der Feind verstummte. 
Dann kamen Reserven. Sie warfen den Feind über die Vimy-Höhe hinunter und 
brachten Ordnung in das Chaos. 
Jetzt wurde die Batterie abgelöst. Pferde führten das eine Geschütz fort, Offizier 
und Mannschaft folgten, scheu noch einmal nach den drei Rohren sich umsehend, die wie 
Tote am Hange in der Dämmerung schwach erkennbar lagen. Die hatten sie bis zum 
letzten Atemzug verteidigen wollen, und wie treulos kamen sie sich vor, daß ste sie liegen 
lassen mußten, und doch, ihre Pflicht hatten sie getan, der Verlust war nicht ihre Schuld. 
Aber der Schaden war geringer als geglaubt. Die Rohre hatten den Sturz über 
dauert, bald darauf wurden sie abgeholt und haben in kurzem wieder mit den Genossen 
ihre Pflicht weiter getan." 
Die Bayern vor Neuville 
Am 30. Oktober 1915 
Während die französisch-englische Offensive bereits in der zweiten Hälfte des Oktober 
1915 vollkommen zum Stillstand gekommen war, gelang es der deutschen Obersten Heeres 
leitung, die Stellen ihrer Front, an denen der Massenaufwand von Menschen und Muni 
tion den Franzosen Erfolge gebracht hatte, langsam zu verbessern und auszugleichen. 
Im Artois hatten Bayern die Stellungen bei La Folie und Vimy bezogen mit dem festen 
Vorsatz, die bogenförmig in die deutsche Stellung vorgeschobenen französischen Gräben 
einzudrücken. Wie ein Offizier, K. Hermann, der an diesem Kamps beteiligt war, in den 
„Münchener Neuesten Nachrichten" (25. XII. 15) berichtete, war der Morgen des 
30. Oktober 1915 zum Sturm ausersehen. „Es regnete die Tage zuvor in Strömen. 
Die Laufgräben waren säst ungangbar. Bis an die Knie und noch tiefer sanken die Mann 
schaften ein, und der zähe Lehm verschlang da und dort ein Paar Stiesel. Aber alle 
Vorbereitungen zum Sturm waren getroffen. In der Frühe gibt eine Salve das Zeichen 
zum Angriff. Ueber freies Ackerfeld, das von Granaten zerrissen und zerpflügt ist, stürzen 
die Stürmenden. Leichte Nebel und die Morgendämmerung begünstigen den Ueberfall.
	        
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