Volltext: Der Völkerkrieg Band 6 (6 / 1916)

Die Kämpfe an der Westfront während der großen englisch-französischen Herbstoffensive 101 
Ich habe das große Bombardement vom 25. September nicht mitgemacht, aber man 
sagte mir, daß das Schießen am 13. Oktober, wenn es auch nicht so lange dauerte, doch 
beinahe ebenso so stark war. Diese Tatsache ist vielleicht nicht ohne Bedeutung. Schießen 
ist wie Opiumessen eine Angewohnheit, die dazu neigt, immer mehr an Stärke zuzunehmen. 
Was man vor einem Jahre an der Aisne für eine hinreichend tödliche Dosis hielt, 
das würde heute nicht als genügend erachtet werden, und so schreien alle Kriegführenden 
immer nach mehr Kanonen und mehr Kugeln. Ein Beweis für die Stärke und Ge 
nauigkeit des deutschen Geschützfeuers ist es, daß wir, nachdem wir nicht ganz einen 
Kilometer feindlicher Gräben im Osten und Westen von Hulluch genommen hatten, aus 
ihnen wieder in verhältnismäßig kurzer Zeit vertrieben wurden." 
Während die Verluste der Engländer ins Ungeheure stiegen, waren die der Deutschen 
gering, da kein Mann seine Deckung hatte verlassen müssen. Im Schutze der Nacht 
holten die Engländer viele ihrer Toten und Verwundeten. Und trotzdem zählte man, 
wie Julius Hirsch im „Neuen Wiener Tagblatt" (25. X. 15) berichtete, am anderen 
Morgen vor nur zwei Kilometern deutscher Gräben noch 1000 tote Engländer. 
Die Wiederaufnahme der Offensive durch die Franzosen im Artois 
Am 10. Oktober 1915 
Von Eugen Kalkschmidt 
Die blutigen Septembertage des großen Herbstvorstoßes 1915 waren vorüber. Kein 
Durchkommen in der Champagne, keines im Artois. Aber wollten sie denn überhaupt durch, 
die Franzosen? Wollten sie nicht vielmehr einen Etappensieg, eine Berichtigung ihrer 
Linien? Und hatten sie nicht endlich das Dorf Souchez gewonnen, den Trümmerhaufen, 
den die Deutschen so lange zäh verteidigt hatten? Das große Leichenseld am Fuß der 
Lorettohöhe war geräumt, die deutschen Truppen hatten sich östlich in die Falten der 
Vimy-Höhen zurückgezogen. Die Franzosen überlegten: sollte es nicht möglich sein, den 
Feind, obwohl er die große Offensive von dieser neuen Stellung aus so blutig abge 
schlagen hatte, durch einen neuen Teilangriff von den Höhen zwischen Thelus und 
Givenchy hinunterzuwerfen? Dann lag die reiche Ebene Flanderns offen vor ihnen, mit 
den grüßenden Türmen von Douai, Cambrai und Lille, dann wären die Deutschen 
sicherlich in wenigen Tagen über die Grenze. 
In den ersten Tagen des Oktober 1915 dauerte das Artilleriegesecht ununterbrochen fort. 
Unsere Leute hatten alle Hände voll zu tun, die zusammengeschossenen Gräben und 
Unterstände herzurichten. Was auf der Karte vorhanden war, wo war es in der Wirk 
lichkeit geblieben? Aus knapp hundert Meter lagen sich die Gräben gegenüber, die 
Franzosen drüben saßen noch in der Kreide, die Deutschen bereits im Lehm. Flache 
Mulden, von Granattrichtern unterbrochen, deuteten den Lauf der verschütteten Gräben 
an. Da und dort war eine Sappe vorgetrieben 
Die Franzosen beobachteten genau und schossen unaufhörlich. Von der Lorettohöhe 
sahen sie zur Höhe 140, südwestlich von Souchez, sahen sie zur Ferme la Folie und zum 
Schlößchen hinüber, ihre Flieger sorgten für weitere Aufklärung. Das „Störungsfeuer" 
krachte Tag und Nacht. Trotzdem arbeiteten unsere Leute, so gut es ging. Jede kleinste 
Feuerpause am Tage nutzten sie aus, und vor allem nachts schaufelten sie an Gräben 
und Unterständen. Die Schritte knirschten, denn die Granatsplitter bedeckten den mürben 
trockenen Lehm. Der Spaten knirschte, weil er alle Augenblicke an einen Blindgänger 
stieß. Und wenn er eigensinnig stumpfte und nicht eingriff, dann war er an eine ver 
schüttete Leiche geraten. 
So ging es fort. Stunde um Stunde, im Dunkel der Nacht, wo plötzlich und ver 
räterisch die Leuchtkugeln aufstiegen und alles sich aus den Boden warf, regungslos.
	        
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