Volltext: Der Völkerkrieg Band 6 (6 / 1916)

74 Die Ereignisse an der We st front im dritten Kriegshalbjahr 
Die Offensive der Franzosen in der Champagne 
Die „Champagne-Herbstschlacht" vom 22. bis 27. September 1915 
Nach deutschen Berichten 
Der gewaltige französische Versuch in der Champagne zwischen Aubsrive und den 
Argonnen auf verhältnismäßig schmaler Front, gleichzeitig mit 22 Divisionen die deutsche 
Linie zu durchstoßen, bildete den Höhepunkt in der noch gewaltigeren französisch-englischen 
Herbstoffensive, deren anderer Teil sich im Artois und in Flandern abspielte und bereits 
geschildert worden ist. Mit diesem Vorstoß hatte der französische Generalissimus sein Prinzip, 
die deutsche Front durch „Anknabbern" zum Weichen zu bringen, aufgegeben. Alle die vielen, 
im Winter 1914/15 unternommenen Versuche, sich zunächst an mehreren Stellen der langen 
Frontlinie festzusetzen und dann entweder durch gegenseitiges Entgegenarbeiten, die da 
zwischen gelegenen Grabenreste unhaltbar zu machen oder diese „Franzosennester" zum 
Ausgangspunkt von Durchbruchsunternehmungen zu machen, waren fehlgeschlagen und 
auch die Vereinigung beider Verfahren in der Winterschlacht in der Champagne war 
ergebnislos geblieben. Jetzt sollte mit einem Schlage, in einem Augenblick, eine klaf 
fende, 30 Kilometer breite Lücke in die deutsche Mauer in der Champagne gelegt werden. 
Alles war sorgfältigst vorbereitet, bis in alle Einzelheiten durchdacht und schien sicheren 
Erfolg zu versprechen. Der Generalissimus selbst hatte seine Pläne, Vorbereitungen 
und Ziele in einem Armeebefehl vom 14. September 1915 bekannt gegeben (vgl. S. 97 f.). 
Eine zweifelsfreie Siegesgewißheit beherrschte die ganze französische Armee, ein Gedanke, 
dem ein französischer Offizier in seinem später in deutsche Hände gefallenen Tagebuch 
folgendermaßen Ausdruck gab: „Der Stoß, den wir führen, macht ein Ende. Alle unsere 
Kräfte, all unser Geld stehen auf dem Spiel. Wenn es uns glückt, ist unser Boden frei, 
wenn nicht, ist Paris verloren. Wir wissen das und wir werden siegen (vgl. auch S. 84)." 
Aber auch aus deutscher Seite herrschte entschlossene Zuversicht. Das hat General 
leutnant v. Fleck in einem Armeebefehl ausgesprochen, den er vor der Schlacht an seine 
Armeegruppe richtete. Er lautete: „Kameraden! Laßt uns in dieser ernsten Stunde 
geloben, daß jeder einzelne, mag er im Schützengraben, an den Batterien, in den Be 
fehlsständen oder sonstwo stehen, seine Pflicht tun wird bis zum äußersten. Wo immer 
der Ansturm kommt, soll ihn unser wohlgezieltes Feuer empfangen, in Sturm- und 
Handgranatenangriffen wollen wir den Feind hinauswerfen, wo er eindringt. Wenn 
wir hierzu den eisernen Willen und die todesmutige Entschlossenheit haben, dann muß 
jeder feindliche Angriff zerschellen, und das Vaterland kann ruhig auf die eiserne 
Mauer blicken, die seine Söhne bilden. Und nun, im Vertrauen auf Gott, dem Kampf 
entgegen." 
Der Oberbefehlshaber der dritten Armee, Generaloberst v. Einem, veranlaßte den 
Hauptmann im Generalstab v. Santen, eine Darstellung der gewaltigen „Champagne- 
Herbstschlacht" zu veröffentlichen und schrieb selbst das Vorwort zu dem bei Langen 
in München erschienenen Buche. Mit Erlaubnis des Oberkommandos der dritten Armee 
entnehmen wir den meisterhaften Schilderungen die folgenden Einzelheiten: 
Während die vorderen französischen Linien von Reserve- und Territorialformationen 
ausgebaut und besetzt gehalten wurden, sammelten sich weiter rückwärts, dem Feuer der 
deutschen Abwehr-Artillerie entzogen, die französischen Angriffstruppen, 35 Divisionen, unter 
dem Oberbefehl des Generals de Castelneau, die alle vorher vorübergehend in den vordersten 
Linien zu Gast gewesen waren, um das ihnen beim bevorstehenden Angriff zugewiesene 
Gelände und Ziel kennen zu lernen. Am 22. September früh 7 Uhr begannen plötzlich 
wie auf Kommando die Tausende von französischen Geschützen ihren Eisenhagel auf 
die deutschen Stellungen zu schleudern. Ein dauerndes Gedröhne, das noch auf dreißig, 
ja fünfzig Kilometer Entfernung wie das ununterbrochene Rollen eines schweren Ge-
	        
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