Volltext: Der Völkerkrieg Band 6 (6 / 1916)

Die Kämpfe an der Westfront während der großen englisch-französischen Herbstoffensive 57 
Es war noch nicht fünf Uhr morgens, es fehlten noch zehn Minuten, da ging es los! 
Wie eine Salve aus hunderten Geschützen! Da brüllte es aus allem was Rohre hatte 
vor Ipern. Dann kam die Antwort unserer Haubitzen und Mörser. Auf die feindlichen 
Gräben wurde Sperrfeuer gelegt. Wer könnte dieses Feuer schildern? Höllenlärm — das 
ist ein abgebrauchtes Wort, es sagt nicht ein Atom von dem, was man sagen will. 
Wir nennen es Trommelfeuer. Stellt euch ein Trommelfell vor so groß wie der Boden 
see, aus Stahl und Panzerplatten, und auf dieses Fell schlügen und trommelten alle 
Schmiedehämmer der Welt — es klänge noch wie Operettenmusik gegen das, was uns 
um die Ohren dröhnt. 
Das schlägt wie der Tambour zum Sturm. Abschuß und Explosion ist nicht mehr zu 
unterscheiden. Das Pfeifen und Sausen der Granaten wird von dem Chaos verschlungen. 
Ein Wald von dicken, braunen Rauchwolken liegt über dem Land. Und es wirbelt 
weiter. . . . Unsere Artillerie wirft ihren Eisenhagel mit allen Kräften aus den Feind; 
unsere Mörser suchen wie wilde Stiere die feindlichen Gräben ab, die leichten Geschütze 
ziehen Eisenketten hinter die vorderste Stellung der Engländer. Und das geht aus einer 
weiten Front, auf dem ganzen Kampsbogen, der Ipern im Westen und Norden umkreist. 
Schon mit der ersten Salve ist alles an den Gewehren. Das ist die große Stunde 
des stillen Heldentums, der Männer im Westen. Und dieses Wort des Kaisers rief uns 
auch der kommandierende General ins Gedächtnis, als er nach dem Kampfe von seinen 
Truppen sprach. In dieser Stunde horcht nur Alles, ob der Angriff los geht. Die 
Adern der Schläfen schwellen an. Durch das wahnsinnige Dröhnen der Geschütze will 
man nur die Stimme der Maschinengewehre des Gegners hören; wenn sie zu rattern 
beginnen, dann droht der Sturm. Sechzig, siebzig, höchstens hundert Meter liegt der 
Feind gegenüber. Hier ist aber nicht wie gewöhnlich erst nach Verstummen der schweren 
Geschütze mit dem Angriff zu rechnen — nein! Die Engländer haben sich eine andere 
Methode zurechtgelegt und man muß es ihnen zugestehen, sie sind schlau, listig, verwegen 
und haben Kerle unter sich mit Nerven von Stahl. Die krochen vor Morgengrauen 
noch unter dem schützenden Schatten der Nacht über die Brüstungen ihrer Gräben; in 
den Granatlöchern zwischen den beiden Linien versteckt ließen sie stundenlang die wilde 
Jagd der deutschen und englischen Geschosse, Granaten und Schrapnells über sich hinweg 
gehen. Sie lauern auf das Signal. 
Drüben ist die Uebermacht. Bei unsern Leuten aber ist die Gerechtigkeit und das 
Vertrauen. Alles fühlt den Ernst der Stunde bis in die Fingerspitzen. Sie stehen auf 
ihrem Platze. Die Offiziere unter ihnen. Die Blicke, die man sich gegenseitig gibt, sind 
ein herzliches „Aushalten, aushalten, Kameraden!" Man spricht fast nichts! Man würde 
auch nicht viel oder garnichts verstehen. Und was Einzelne in diesen Momenten rufen, 
rufen sie nur für sich. Höchstens, daß es der Nachbar versteht. Man schaut auch nicht 
rechts und links. Ringsum zerreißen die Granaten in diesem verrotteten Wiesenland 
Erde und Menschen. 
Man möchte es nicht glauben! Ein paar von diesen kleinen, schon vom Leben zer 
quetschten Menschen, die ehemals ihre ganze Kraft aufrüttelten, um an einem Webstuhl 
verkrümmt zu hocken, sehen im schwersten Feuer über die Deckung. Sie wollen die Ersten 
sein, die den anschleichenden Feind mit Handgranaten begrüßen. Und wenn unsere 
schweren Bomben — die Engländer nennen sie Kohleneimer — drüben einen Wust von 
Kot und Blut, menschlichen Armen und Beinen mit Schlamm und Sand in die Höhe 
wirbeln, dann lachen sie, und es klingt erschreckend: „Ihr Tommys, jetzt geht es Eich 
dreckich!" 
Und daneben stehen andere, neben dem Gewehr liegt ein Gebetbuch. Sie stammeln 
ein paar Worte, und nach den Kämpfen denkt man wieder daran . . . „Großer Gott,
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.