Volltext: Der Völkerkrieg Band 6 (6 / 1916)

D i e Sozialisten und der Frieden 
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bis 55 Jahren, mit Ausnahme der Naturalisierten, zu internieren und die nicht 
mehr Militärpflichtigen, sowie Frauen und Kinder, soweit es die Umstände gestatteten, 
nach der Heimat zurückzuschicken. 
Bei den Verhandlungen im Unterhause wurden die Pöbelausschreitungen fast allgemein 
als unbesonnen und schimpflich verurteilt; aber Bonar Law fügte hinzu, er bedaure 
nicht, daraus ersehen zu haben, wie die Volksstimmung sei. „Der Nation ist es jetzt 
klar geworden", sagte er weiter, „daß dies nicht ein Krieg zwischen den Armeen, sondern 
ein Krieg zwischen den Nationen ist." Noch deutlicher sprach sich einige Wochen 
später auf der Jahresversammlung der Gewerkschaften in London der Vertreter der 
Eisengießer, der Gewerkschaftsführer Bell aus, der nach dem „Daily Telegraph" unter 
starkem Beifall erklärte, er sei für die gänzliche Ausrottung aller Deutschen. 
Die Sozialisten und der Frieden 
Auf der internationalen sozialistischen Konferenz, die am 14. Februar 1915 
unter Ausschluß der Presse in London stattfand und an der sechzehn Franzosen, darunter 
die Minister Sembat und Guesdes, acht Belgier, zwölf Engländer und sechs Russen 
teilnahmen, vertraten die Franzosen den Standpunkt, daß das deutsche Volk durch Zu 
sicherung der Unantastbarkeit seiner Integrität veranlaßt werden könne, zur Beendigung 
des nur dem deutschen Militarismus geltenden Krieges den Frieden zu verlangen. Die 
Engländer waren uneinig, einige verurteilten die Kriegspolitik, andere billigten den Krieg. 
Die Diskusston war zeitweise sehr heftig. Den Vorsitz führte Keir Hardie. Als die 
angeblichen deutschen Ausschreitungen in Belgien erwähnt wurden, protestierte Macdonald 
mit den Worten: „Die Verletzung der belgischen Neutralität ist nicht wissenschaftlich 
bewiesen. Es sind viele Vorbehalte über diesen Gegenstand zu machen, der auf jeden 
Fall nicht reif ist, als Tatsache festgelegt zu werden." Die Folge war, daß aus der 
von den Franzosen vorgeschlagenen Resolution alles, was sich auf die „Vergewaltigung" 
und „Marterung" Serbiens und Belgiens bezog, wegbleiben mußte. 
Nach langen Wortkämpfen nahm die Konferenz schließlich eine längere Resolution 
an, die ausführte, der Krieg sei die Folge der kapitalistischen Expansionspolitik. 
Der deutsche Einsall in Belgien und Frankreich bedrohe die Existenz der unabhängigen 
Nationalitäten; deshalb wäre der Sieg des deutschen Imperialismus der Ruin der 
Demokratie und der Freiheit Europas. Die Sozialisten der verbündeten Länder er 
strebten nicht die wirtschaftliche Vernichtung Deutschlands, sie bekämpfen nur die Re 
gierungen, nicht die Völker Deutschlands und Oesterreichs, sie forderten Befreiung 
und Entschädigung Belgiens, Regelung der polnischen Frage, freies Verfügungsrecht 
für alle annektierten Bevölkerungen. Die Sozialisten seien zwar entschlossen, bis zur 
Erringung des Sieges zu kämpfen, würden sich aber gegen jeden Versuch, den Defensiv 
krieg in einen Eroberungskrieg zu verwandeln, erheben. Der Sieg der Verbündeten 
müsse die Autonomie der Völker in dem friedlichen Bund der vereinigten Staaten 
Europas und der Welt sichern. Nach dem Kriege müßten die Arbeiter aller Länder sich 
international die Hände reichen zur Unterdrückung der geheimen Diplomatie, der Be 
seitigung der Interessen des Militarismus und der Waffenfabriken, zur Einsetzung 
obligatorischer Schiedsgerichte und zur Erhaltung des Friedens. 
Der Gedanke an den Frieden ist auch in den Verhandlungen des englischen Unter 
hauses mehrfach laut geworden. Schon in der Sitzung vom 12. Februar 1915 wurde 
die Anfrage gestellt, ob die Regierung öffentlich erklären könne, auf welcher Grundlage 
Großbritannien und feine Verbündeten geneigt wären, über den Frieden zu unter 
handeln. Sir Edward Grey antwortete, im Hinblick auf die öffentlichen Erklärungen in
	        
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