Volltext: Der Völkerkrieg Band 6 (6 / 1916)

D i e Deutschen Hetze 
329 
verpönte Verpflichtung zum Heeresdienst eingetreten war, Lloyd Georges Aeußerungen 
in Manchester über die etwaige Notwendigkeit der allgemeinen Wehrpflicht, und sagte 
einlenkend: „Wenn sie notwendig wird und von Ministern, die das Vertrauen aller 
Parteien besitzen, für notwendig erklärt wird, so werden die Patrioten sie annehmen." 
Daß ein dringender Mangel an Soldaten bestand, bestätigte die „Daily News" in 
ihrer Kritik der Lansdowneschen Rede im Oberhaus über die Registrierungsbill, (vgl. 
S. 317), die sie als eine „Drohung der Wehrpflicht" bezeichnete; noch mehr die „Daily 
Mail", die von „rasenden Anstrengungen des Kriegsamtes" sprach. Die Regierung aber 
entschloß sich widerstrebend und nicht einheitlich, nicht zuletzt unter der energischen und 
rücksichtslosen Beeinflussung der Presse Lord Northcliffes, langsam Vorbereitungen zu 
treffen, um dem Register den allen Engländern verhaßten, immerhin unantastbaren legalen 
Zwang folgen zu lassen. Schon in seiner Guildehall-Rede vom 9. Juli 1915 hatte 
Lord Kitchener erklärt, daß man nach der Beendigung der Registrierung an alle waffen 
fähigen Männer von 19 bis 40 Jahren, die nicht für den Munitionsersatz arbeiteten, 
mit der Aufforderung zum Eintritt in die Armee herantreten werde, an die Unverheirateten 
zuerst. Denn das Kriegsamt benötige trotz der außerordentlichen Unterstützungen durch 
die Dominions, Indien und Kanada, und trotzdem die Rekrutierung von Anfang an 
befriedigend gewesen sei, noch mehr Leute, deren Anzahl jetzt nicht mehr durch den Mangel 
an Vorbereitungen beschränkt werde. Aehnlich sprachen Lord Derby und Churchill. 
Carson fügte hinzu, das Freiwilligensystem stehe jetzt auf der Probe, wenn es versage, 
möge niemand glauben, daß man zögern werde, die allgemeine Wehrpflicht einzuführen. 
Die Deutschenhetze 
In ganz England wie in Südafrika und Victoria (Britisch-Kolumbien) kam es in den 
Tagen vom 11. bis 15. Mai 1915, nach der Bekanntgabe der Versenkung der „Lusitania" 
durch ein deutsches Unterseeboot (vgl. V, S. 241), zu blutigen Ausschreitungen gegen die 
Deutschen. Aufgehetzt durch die Zeitungen und erbittert über die letzten erfolgreichen 
Zeppelinangriffe durchzogen Tausende von Männern und Frauen, darunter auch Soldaten 
in Uniform, die Straßen vor allem im Norden und Osten Londons, stürmten und 
plünderten die Läden, Magazine und Gastwirtschaften feindlicher Staatsangehöriger, 
verwüsteten das Innere der Häuser und raubten was fortgeschafft werden konnte; dabei 
wurde kein Unterschied zwischen deutschen Staatsbürgern und Naturalisierten gemacht, 
auch englische Läden wurden geplündert. Die Polizei war anfangs der Ueberzahl gegen 
über machtlos oder weigerte sich einzuschreiten. Erst den berittenen Gendarmen und 
Truppen gelang es, die Plünderer zu zerstreuen. Gleichwohl sind viele Geschäftsinhaber 
und Angestellte auss schwerste mißhandelt worden, mehrere sollen ihren Verletzungen 
erlegen sein. Nach den Mitteilungen des Ministers des Innern MacKenna im Unter 
haus am 19. Mai sind bei den Unruhen in London insgesamt 257 Personen, darunter 
110 Polizeibeamte, verletzt worden. Der Sachschaden in London wurde auf fünf Millionen 
Mark geschätzt. Auch im Süden und Südwesten Londons kam es zu schweren Aus 
schreitungen, ebenso auf dem Lande und vor allem in Liverpool, wo die Unruhen 
bereits am 9. Mai 1915 begonnen hatten. Die Londoner Polizeirichter aber ver 
hängten nur geringe Strafen und suchten stets den Eindruck zu erwecken, als hätten sich 
die Beschuldigten schlimmstenfalls eines ehrlichen Uebereisers schuldig gemacht. 
In Kapstadt und Johannesburg, wie in anderen Städten Südafrikas, wurden 
die Zerstörungen und Plünderungen methodisch nach sorgfältig angelegten Listen durch 
geführt. Auch hier hatte die Polizei die Kontrolle über den Mob verloren, der ihren Kordon 
durchbrach und mit dem Inhalt der geplünderten Häuser Freudenseuer entzündete. Der
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.