Volltext: Der Völkerkrieg Band 6 (6 / 1916)

Handelspolitische und wirtschaftliche Maßnahmen 323 
MacKenna, der durch Vermittlung der sechs angesehensten englischen Kommissionsfirmen 
auf Rechnung der Regierung in Amerika, Kuba, Java, den englischen Kolonien und 
auch in Italien 900 000 Tonnen Rohzucker erwarb. Die bestehenden Raffinerien wurden 
vergrößert, Höchstpreise von der Regierung festgesetzt und so nicht nur der gewaltige 
englische Konsum, allerdings mit Preissteigerungen, in gleicher Höhe wie in den Normal 
jahren sichergestellt, sondern auch dafür gesorgt, daß das neue Zuckerjahr mit dem be 
trächtlichen Bestand von 154 000 Tonnen beginnen konnte. 
Weniger glücklich war das Vorgehen der Regierung zur Beseitigung des Mangels 
an deutschen Farbstoffen. Mit der Begründung, daß man die englischen Textil 
industrien und ihre verwandten Gewerbe, die jährlich für nicht weniger als 200 Mil 
lionen Pfund Sterling Waren erzeugen und ein Heer von anderthalb Millionen Ar 
beitern beschäftigen, nicht mehr von der Farbeneinsuhr aus Deutschland abhängig lassen 
könnte, aber auch mit dem Wunsche, dem Feinde und Rivalen das britische Absatzgebiet 
zu entziehen, das jährlich für 25 bis 30 Millionen Mark Farbstoffe (acht bis neun 
Zehntel seines ganzen Bedarfs) aus Deutschland aufgenommen hatte, beschloß die Re 
gierung die Gründung einer großen nationalen britischen Farbstoff-Fabrik anzuregen 
und zu subventionieren. Der Staat stellte vorläufig eine Geldunterstützung von 1 Million 
Pfund in Form eines Vorschusses in Aussicht, während von privater Seite gleichviel 
aufgebracht werden sollte. Für seine Leistung verlangte der Staat ein weitgehendes 
Eingriffsrecht in die Verwaltung der „British Dyes Lim.", vor allem ein absolutes 
Vetorecht seiner Vertreter „gegen jeden Vorschlag oder Beschluß, der nach ihrer 
Meinung zu einer ungebührlichen Einmischung in das Gewerbe irgend eines britischen 
Erzeugers von anderen Waren als Farbstoffen führt oder unrechtmäßige Bevorzugung, 
was Preise, Lieferung oder anderes betrifft, irgend einem Kunden der Gesellschaft ge 
währt." Die neue Gesellschaft sollte die Farbwerke der Firma Read, Holliday and Sons 
in Huddersfield zu einem Preise übernehmen, dessen Höhe in der englischen Presse leb 
hafte Kritik herausforderte. Um die chemische Forschung zu fördern, bewilligte die 
Regierung eine Summe von 100000 Pfund in zehn Jahresraten als freie Gabe. 
Daß im Direktorenkollegium der neuen Gesellschaft nicht Männer der chemischen 
Wissenschaft, wie bei den deutschen Fabriken, sondern Bürokraten und Herren aus der 
Verwaltung anderer Industrien den Ausschlag erhielten, während Chemiker ganz 
fehlten, gab sofort zu heftiger Kritik Veranlassung; und als auf das auf eine Million 
Pfund veranschlagte Aktienkapital der Gesellschaft nur 448 000 Pfund gezeichnet und nur 
122 000 Pfund bar einbezahlt wurden, sah sich das Direktorium Ende März 1915 ver 
anlaßt, bekannt zu geben, die ungünstige Aufnahme ihrer Prospekte könne zur Aufgabe 
des Planes führen. Die Regierung aber, die Mitte März 1915 die neue Jndigoernte 
erworben hatte und zum Selbstkostenpreis den Fabriken zur Verfügung stellte, mußte im 
Unterhause eingestehen, daß sie für die Einfuhr einzelner deutscher Produkte Spezial 
bewilligungen erteilt habe. 
Die Behandlung des Baumwollebezugs durch die englische Regierung ist haupt 
sächlich von dem Bestreben beeinflußt worden, die Zufuhr von Baumwollgarnen aus 
dem Vereinigten Königreich nach Deutschland über neutrale Länder zu verhindern. Wie 
Asquith am 21. Juli 1915 im Unterhaus hervorhob, gelangte seiner Ueberzeugung nach 
eine große Menge dieses Materials, „das einen notwendigen Bestandteil einer gewissen 
gefährlichen Munition bilde", zu den Feinden, was unbedingt verhindert werden müsse, 
allerdings ohne gegen die Neutralen ungerecht aufzutreten und unter Beachtung der Be 
stimmungen des Völkerrechts. „Andererseits erhoben," wie der „Neuen Zürcher Zeitung" 
geschrieben wurde, „große englische Spinner und Reeder unter der Führung der Manchester 
Handelskammer gegen die rigorose Behandlung des neutralen Baumwollbezugs heftigen
	        
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