Volltext: Der Völkerkrieg Band 6 (6 / 1916)

D i e finanziellen Maßnahmen 
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schlossen sich, in Zukunft die von Lord Goschen eingeführten, zum Halten großer Kassen 
bestände veranlassenden Monatsbilanzen nicht mehr zu veröffentlichen und zwar, weil 
ihre Konten durch die neue Kriegsanleihe in Unordnung gebracht worden seien. Auch 
die englische Regierung sah sich veranlaßt, Maßnahmen zu treffen, um die Banken 
vor den unheilvollen Folgen ihrer gewaltigen Beteiligung an der Kriegsanleihe nach 
Möglichkeit zu schützen. Wie das Pressebureau am 5. August 1915 bekannt gab, ersuchte 
das Finanzministerium das Publikum, zum Schutze der Goldreserven der Banken 
möglichst viel Gold bei den Banken einzuzahlen und bei Auszahlungen der Banken nicht 
auf Gold zu bestehen, sondern lieber Noten zu verlangen. 
Die Bank von England allerdings hatte der Gefahr einer ungünstigen Entwicklung des 
Verhältnisses der Reserven zu den Verbindlichkeiten, wie sie die Aufbringung der für die 
Anleihe nötigen gewaltigen Summen erwarten ließ, bei Zeiten dadurch begegnet, daß 
einmal per Saldo etwa 2 Va Millionen Pfund Gold aus dem Auslande zuflössen und 
von der London-City and Midland-Bank anläßlich ihrer Einzahlungen auf die Kriegs 
anleihe auf Veranlassung ihres Leiters, Sir Edward Holden, drei Millionen Pfund in 
Gold abgeführt wurden. So ergab der am 22. Juli 1915 abgeschlossene Ausweis der 
Bank von England eine Stärkung des Zentralnoteninstituts durch die überraschende 
Erhöhung des Goldvorrats von über 6 1 / i Millionen Pfund Sterling. 
Schließlich aber ist auch durch die zweite Kriegsanleihe die amerikanische Schuld 
Englands, entstanden durch übermäßige Bezüge, nicht verringert worden. Die ge 
waltige Verschlechterung der passiven Handelsbilanz Englands (vgl. S. 322) und die 
Tatsache, daß England den Hauptbetrag seiner Auslandszahlungen den Vereinigten 
Staaten schuldete, waren die Ursachen für den ohne Beispiel dastehenden Fall des 
Herunterstnkens amerikanischer Wechsel aus London. Der Sterlingkurs, der sich in 
der zweiten Hälfte des Jahres 1914 auf beträchtlicher Höhe hielt, fiel um die Jahres 
wende jäh und war bald unter die Parität von 4,86 3 / 4 gesunken. Daran konnten auch 
die heimlichen Goldsendungen nichts ändern, die von der britischen Regierung Ende Mai 
und Ansang Juni 1915 für Rechnung des Bankhauses I. P. Morgan & Co. an das 
Unterschatzamt in New Jork über Ottawa gesandt wurden, um dieses Bankhaus für 
Ankauf von Devisen zu Stabilisterungszwecken zu entschädigen. Wie groß die Verschul 
dung war, geht daraus hervor, daß nach der „New Jorker Handelszeitung" bis 5. Juni 
1915 43 Millionen Dollars in Gold eingetroffen waren und sich der Sterlingkurs gleich 
wohl auf einer Basis weit unter dem Goldimportpunkt hielt. „Der einzige Weg, unsere 
Schuld zu zahlen, besteht", wie in der Londoner Vierteljahrsschrist „The Round Tadle" 
geschrieben wurde, „entweder darin, unsere fremden Effekten abzustoßen, oder Amerika 
zu einem Darlehen an uns zu veranlassen, oder mit Hilfe der Goldreserven Frankreichs, 
Rußlands und Italiens Gold hinüber zu schicken, oder aber unerbittliche Sparsamkeit 
einzuführen und unsere Ausfuhr zu verstärken." Dann aber fährt der Verfasser fort: 
„Der Eintritt der Vereinigten Staaten in den Krieg auf unserer Seite würde unsere 
finanziellen Schwierigkeiten ganz außerordentlich verringern. Amerikas wertvollste Bei 
steuer für den Sieg wäre zweifellos eine weitherzige Geldhergabe aus seinen gewaltigen 
finanziellen Quellen. Solange die Union neutral bleibt, sind die Schwierigkeiten einer 
richtigen Anleihe groß." Sätze, die eine Rechtfertigung der deutschen Reichspolitik gegen 
über den Vereinigten Staaten enthalten. 
Die Einsicht, daß die zweite Kriegsanleihe die erwartete Deckung der Mehrausgaben 
nicht erbringen werde, war bereits vor der Bekanntgabe ihres Ergebnisses in den Ver 
handlungen des Oberhauses vom 6. Juli 1915 nachdrücklich zum Ausdruck gekommen, 
als Lord Middleton den Beschlußantrag einbrachte, angesichts der notwendigen Kriegs 
ausgaben sei es nach der Meinung des Hauses Aufgabe der Regierung, wirksame An- 
Völkerkrieg. IX. 21
	        
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