Volltext: Der Völkerkrieg Band 6 (6 / 1916)

D i e finanziellen Maßnahmen 
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durch Steuern aufbringen zu können. Es bleibe danach ein Fehlbetrag von 17 246 640 000 
Mark, so daß also die in acht Jahren erzielte Herabminderung der Staatsschuld hinweg 
geschwemmt worden sei. 
Zur Deckung der Mehrausgaben ist zunächst die Bank von England stark in An 
spruch genommen worden. Nach einem von der englischen Regierung am 26. Februar 1915 
veröffentlichten Briefwechsel zwischen dem Schatzamt und der Bankleitung waren bis 
Ende November 1914 nicht weniger als 23V- oder 24V 2 Millionen Pfund aus den 
Kassen der Bank für Kriegszwecke entnommen und den eigentlichen Zwecken der Bank, 
den Geldumlauf im Lande zu regeln und dem Kreditverkehr eine Stütze zu sein, ent 
zogen worden. Wenn auch der Rückzug dieser Summen, nach dem erwähnten Briefwechsel- 
keinen Einfluß auf den Geldmarkt gehabt hat, so war doch auf die Dauer eine derartige 
Geldbeschaffung des Kriegsamts ohne ernstliche Schädigung der Bank nicht durchführbar. 
Die Regierung hatte daher bereits auf Anfang März 1915 eine zweite große Kriegsanleihe in 
Aussicht gestellt. Da jedoch, wie die „Times" freimütig zugab, der Anleihemarkt damals an 
Aufnahmefähigkeit oder Ausnahmelust eingebüßt zu haben schien und die erste Kriegsanleihe 
von 350 Millionen Pfund (vgl. III, S. 304) fortgesetzt unter dem Ausgabekurs stand, 
entschloß sich die Regierung zunächst zur Ausgabe von Schatzwechseln mit drei-, sechs 
und neunmonatlicher Laufzeit nach französischem Muster (vgl. III, S. 258). Am 16. April 
1915 sind erstmals 15 Millionen Pfund aufgelegt worden, die mit einem durchschnitt 
lichen Zinssatz von 37io°/o zugeteilt wurden. Bis Ende Juni 1915 waren 283 Mil 
lionen Pfund abgesetzt. Aber der Erfolg war nicht sehr ermutigend; die „Times" 
schrieb, ein großer Teil des Publikums sei geneigt, „die Lage erst sorgfältig zu prüfen, 
ehe er sich zu tätiger Mitwirkung entschließen könne". Und auch die Hoffnung, der Kurs 
der ersten Kriegsanleihe werde sich bessern, hat sich nicht verwirklicht; denn bereits am 
Tage nach der Ausgabe der Schatzwechsel notierte die erste Kriegsanleihe 1 Ue°/o 
niedriger. 
Als die Regierung dann Mitte Juni 1915 bekannt gegeben hatte, welch ungeheuere 
Geldmittel zur Weiterführung des Krieges nötig seien, setzte zunächst eine scharfe Kritik 
ein, die der Regierung Geldverschwendung vorwarf. Die „Morning Post" wies darauf 
hin, daß das englische Heer mehr koste als alle Armeen, die Oesterreich-Ungarn und 
Deutschland an den verschiedenen Fronten unterhielten, und fährt dann fort: Es wäre 
interessant zu wiffen, wie viele Millionen nutzlos hinausgeworfen worden sind, z. B. 
schon allein für Reklame und Zeitungsanzeigen, um die Truppenwerbungen zu fördern. 
Dann auch wäre es interessant, zu wissen, wie viel Geld man ansetzen mußte allein für 
die verheirateten Leute in der Armee. (Die verheirateten Männer, die sich zu der Armee 
melden, waren bei weitem in Mehrzahl, da ihre Familien dann reichlich unterstützt 
wurden.) Unglaubliche Ausgaben seien auch nötig gewesen, da absolut keine Vorräte 
an Gewehren, Munition, Uniformen usw. vorhanden waren, und nicht einmal Fabriken 
im Lande bestanden, die diese Artikel hätten herstellen können. Infolge des System 
mangels und der vollständigen Kopflosigkeit würde das Geld für die Armee außerhalb 
jeden Verhältnisses ausgegeben; das unglücklichste aber für das Land sei, daß viele seiner 
Regierungsbeamten dächten, das Ende der Welt sei gekommen, weil sich England im 
Kriege befinde, und daß jedermann den Gedanken habe, „Es komme nicht darauf an, 
was es koste". Der „Daily Telegraph" vertrat die Ansicht, daß die großen Geld 
mittel, die nötig seien, nur durch Anleihen gedeckt werden könnten, und auch das 
Parlament wartete immer ungeduldiger auf eine Erklärung der Regierung, wie sie das 
nationale Defizit zu decken beabsichtige. 
So entschloß sich die Regierung am 22. Juni 1915, eine Gesetzesvorlage für eine 
zweite Kriegsanleihe einzubringen, die dann einstimmig angenommen wurde.
	        
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