138 Die Ereignisse an der Ostfront nach der Wiedereroberung von Przemysl
läufer. Jeder dieser Ausläufer war stark befestigt, bastionartig. Jeder Hügel, jede
Hügelnase trug zwei bis drei übereinanderliegende Gräben. So kletterten die Befesti
gungen die Höhen hinauf und schufen auf diese Weise eine Verteidigungslinie, die oft
sieben Stockwerke bildete und durchgängig drei bis vier Kilometer tief war. Die Gräben
selbst waren überaus geschickt gebaut, über Mannshöhe tief, mit kräftigen Unterständen
und gedeckten Schießscharten versehen. Alles war durch tiefe und gut angelegte Ver
bindungsgräben in Zusammenhang.
In diese wirklich unangreifbar erscheinende Stellung hatten die Russen ihre Kern
truppen geworfen: Garde, sibirische und kaukasische Armeekorps. Die sollten wir da
hinauswerfen! Ueber den Haufen zu rennen war die Geschichte nicht. Also: Kräfte
sammeln, erkunden, langsam heranarbeiten und dann mit kräftigen Schlägen zusammen
hauen und durchbrechen. So war die Absicht, und so geschah es."
Am 15. Juli 1915 kam der Angriffsbefehl für den nächsten Tag. „Der rechte Flügel
der Armeeabteilung, die dem schwierigsten Abschnitt gegenüberlag, beschränkte sich,"
so erzählt Kriegsberichterstatter Dämmert im „Stuttgarter Neuen Tagblatt", „darauf,
den Gegner zu beschäftigen, ohne selbst vorzugehen. Unterdessen wurde im übrigen Ge
lände ein kraftvoller Vorstoß unternommen, dem die Russen trotz ihrer Schanzwerke nicht
standzuhalten vermochten. Durch Artillerie stark erschüttert, räumten sie das offene Höhen
gelände, um im zurückliegenden Wald in vorbereiteten Stellungen den Durchbruch ihrer
Front zu verhindern. Schwere Regengüsse, die dem Vordringen der deutschen Geschütze
Schwierigkeiten bereiteten, kamen ihnen zu Hilfe. Ihre Artillerie war stärker und tätiger
als bei früheren Kämpfen. Die mehrtägige Kampfpause hatte ihr die Möglichkeit ge
boten, sich ausgiebig mit Munition zu versorgen. Da jedoch mit dem Verlust der Vor
stellungen und der dahinter liegenden befestigten Linien die russische Front bereits durch
brochen war, war das Unheil nicht mehr abzuwenden. In unermüdlichem kühnem Vor
wärtsdringen nahmen die stürmenden deutschen Truppen Graben für Graben. Hinter
dem langsam und jäh zurückweichenden Gegner fegte ein Hagelsturm von Geschossen her.
Wo im Nahkampse ein letzter Widerstand versucht wurde, zerbrach ihn das Bajonett.
Am 16. Juli 1915 um die Mittagsstunde war der Durchbruch gelungen, bereits am Abend
des 17. Juli 1915 war Krasnostaw mit den nördlich der Zolkiewka gelegenen Höhen in
deutschen Händen. Einer schneidigen und geschickten Umgehung gelang es, einen russischen
Regiments- und Bataillonsstab und ein Bataillon gefangen zu nehmen.
Unterdessen hatte auch während des zweiten Tages der zurückliegende rechte deutsche
Flügel starke Kräfte des russischen linken Flügels an dem Flüßchen Wolica südöstlich von
Krasnostaw festgehalten, die dadurch in die Bedrängnis kamen, abgeschnitten zu werden.
Denn während sich Teile der Armeeabteilung nordwärts nach der Bahnlinie zu weiter
vorarbeiteten, schwenkte ein anderer Verband nach Osten und kam damit dem von vorne
und von der Seite festgehaltenen linken russischen Flügel in den Rücken. Um eine Kata
strophe zu verhindern, mußte eiligst eine in Reserve gehaltene Division russischer Garde
eingesetzt werden. Der Teil der deutschen Truppen, der nach Norden und Osten vor
gedrungen war, wurde nun von russischer Garde heftig und immer wieder aus dem nörd
lichen Hügelland angegriffen. Alle Angriffe wurden abgewiesen. Der an der Wolica
eingekeilte, auch von Nachbarkorps hart angefaßte russische linke Flügel war in einer
verzweifelten Lage. Nur Teile von ihm konnten sich unter dem Schutze der Nacht und
der weitausgedehnten Wälder der Schlinge entziehen. Sein Schicksal erfüllte sich am
18. Juli. Am 19. Juli 1915 war Krasnostaw mit Umgebung und den gesamten russischen
Stellungen in deutschen Händen." An dem kräftigen Vorstoß, der reiche Beute ergab,
hatte die preußische Garde hervorragenden Anteil, allein am ersten Tag wurden
3000 Gefangene gemacht, davon 902 von den „Franzern", 602 von den „Augustaern".