Volltext: Der Völkerkrieg Band 6 (6 / 1916)

314 Großbritannien während des zweiten Kriegshalbjahres 
Sir John Simon, das neue Ministerium würde die Oberaufsicht über die von der 
privaten Industrie gelieferte Munition führen, die Industrie des ganzen Landes organi 
sieren und die Lieferung von Munition für Armee und Flotte übernehmen, wogegen 
das Kriegsamt auch weiterhin die nötigen Mengen von Munition bestimme. Am 
24. Juni 1915 äußerte sich dann der neue Munitionsminister Lloyd George selbst über 
die Vorlage und führte u. a. aus, die Verbündeten besäßen bereits die Ueberlegenheit 
an Mannschaften der Zahl wie der Qualität nach, sie seien in der Lage, auch die Ueber 
legenheit an Munition, der bis jetzt alle Fortschritte an der Front zu danken gewesen 
seien, zu erreichen, wenn sie sich ernstlich darauf verlegten. Die Deutschen hätten die 
Dauer des Krieges zweifellos so berechnet, wie es sonst niemand getan habe. Sie hätten 
eingesehen, daß der Krieg ein großer Schützengrabenkampf sein werde, und sie hätten sich 
dementsprechend eingerichtet. Die Verbündeten hätten bis jetzt geglaubt, daß der Sieg ihnen 
gehöre als ein Tribut des Schicksals. Das Problem sei aber gerade, daß sie selber den 
Sieg vorbereiten müßten und nicht glauben dürften, er werde ihnen ohne Anstrengung 
zufallen. Das Gesetz will erreichen, daß ohne Ermatten gearbeitet wird, daß die gewerk 
schaftlichen Beschränkungen für die Dauer des Krieges eingestellt werden, daß den Arbeit 
gebern verboten wird, die Arbeiter unwillig zu machen, und Aussperrungen sowie Streiks 
vermieden werden. Der Minister schloß, Deutschland habe ununterbrochen Material an 
gehäuft, bis es bereit gewesen, und habe unterdessen bei allen europäischen Kabinetten 
gelächelt und die Hoffnung auf Frieden durchblicken lassen. Unterdessen habe es heimlich 
Munition und Kriegsmaterial fabriziert, um seine Gegner endlich überraschend anzugreifen 
und sie im Schlafe niederzumachen. Hätte eine solche Verräterei Erfolg, dann würde 
dadurch jede Möglichkeit einer internationalen Verständigung wegfallen. Englands Auf 
gabe sei es, das zu verhüten; könne die Regierung dabei nicht auf die freiwillige Mithilfe 
des Landes rechnen, die für das Leben des englischen Volkes notwendig sei, so werde 
sie eben die Mittel in Anwendung bringen, die jede Regierung anwenden müsse, wenn 
die Existenz des Landes bedroht sei. 
Deutscherseits sind diese Ausführungen des Ministers Lloyd George am 29. Juni 1915 
amtlich als „unerhörte Heuchelei und Verdrehung der Tatsachen" auss schärfste zurück 
gewiesen worden, u. a. auch mit dem Hinweis, daß Deutschland am Anfang des Krieges 
an Munitionsmangel litt, dem es aber schnell und gründlich in aller Stille abhalf. 
In den längeren Debatten versicherte der Staatssekretär mit Zustimmung Asquiths u. a., 
mit dem Gesetz werde nicht beabsichtigt einen staatlichen Zwang für Arbeiter einzuführen; 
der Unionist Houston betonte, die geringe Anteilnahme des Landes an den Kriegs 
ereignissen sei die Schuld des Zensors und der Regierung, von denen die Wahrheit schimpf 
lich verheimlicht worden sei und beklagte den unerhörten Mangel an Geschützen und 
Munition, der trotz der dringenden Forderungen des Feldmarschalls French vom Kriegs 
ministerium infolge seines Bürokratismus nicht habe behoben werden können. In ähn 
licher Weise äußerten sich Pringle (liberal), Dalziel (liberal), der das „Ordinance 
Departement" den Generalfeldzeugmeister Generalmajor Sir Stanley v. Donop, als den 
Hauptschuldigen auf das heftigste angriff, dann aber seinen Antrag, das Amt des 
Generalseldzeugmeisters aus den neuen Munitionsminister zu übertragen, aus Vorhalten 
von Lloyd George wieder zurückzog. 
Nachdem noch Sir John Simon erklärt hatte, die Regierung werde eine Kommission 
zur Regelung der Kriegsgewinne der Munitionsfabrikanten einsetzen. Minister Henderson 
mitgeteilt hatte, daß 60 Gerichtshöfe erster und neun bis zehn zweiter Instanz zur Ab 
urteilung von Vergehen der Arbeiter gegen das Munitionsgesetz errichtet würden und 
auch die Vertreter der Arbeiterpartei für die Gesetzesvorlage eingetreten waren, ist sie 
am 3. Juli 1915 in dritter Lesung vom Unterhaus angenommen worden.
	        
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