Volltext: Der Völkerkrieg Band 6 (6 / 1916)

Vom Parlament und der Regierung 
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Mail") auf Lord Kitchener wegen des Mangels an Munition und Kriegsvorräten und 
Kitcheners Zwist mit General French, die Weiterexistenz des Kabinetts in der bisherigen 
Form unmöglich gemacht hätten. Die Gegensätze zwischen Churchill und Fisher hatten 
sich seit längerem so zugespitzt, daß Fisher in der letzten Zeit seinem Bureau überhaupt 
fern blieb, ein Zustand, der sich auf die Länge natürlich nicht aufrechterhalten ließ. 
Ob die Differenzen in der Dardanellenexpedition oder in der „Lusitania"-Katastrophe 
oder in anderen Ereignissen ihren Ursprung nahmen, ist der Oeffentlichkeit unbekannt. 
Sicher ist, daß als Folge des Konflikts beide Gegner ihren Posten haben verlassen 
müssen, und daß erster Lord der Admiralität der konservative Führer Balfour geworden 
ist. Außer ihm sind von Konservativen in das Kabinett noch eingetreten der alte Lord 
Lansdowne, der Führer der Opposition im Oberhaus, der im letzten unionistischen 
Ministerium von 1900 bis 1905 Staatssekretär für auswärtige Politik war und jetzt 
ohne Portefeuille aufgenommen wurde, also gleichsam Vizechef der Regierung wurde, dann 
Bonar Law und schließlich Austen Chamberlain. 
Auch die kleinen Parteigruppen sind nicht ganz ohne Vertretung geblieben. Die sron- 
dierende Arbeiterschaft hat Henderson ins Unterrichtsministerium abordnen können und 
für die Ulsterleute ist Sir Edward Carson zum Staatsanwalt ernannt worden. Es war 
zuerst die Rede davon, auch Herrn Redmond, den Führer der irischen Nationalisten, 
aufzunehmen; man hat aber schließlich davon abgesehen. Die Zuziehung der beiden 
irischen Kampfhähne war im gegenwärtigen Moment, wo Ruhe in der inneren Politik 
das erste Erfordernis ist, wohl ein zu gefährliches Experiment, als daß man es im 
Ernste hätte wagen wollen. Die Liberalen behalten nach wie vor die Mehrheit. 
Der Zweck der Neubildung dürfte auch so erreicht sein. Bedenklich für den ruhigen 
Bestand der Regierung war weniger die Kritik, die von dem Häuslein der unabhängigen 
Arbeiterpartei geübt wurde, als der scharfe Tadel, der von den Konservativen und ihrer 
Presse ausging. Die englischen konservativen Blätter haben sich zwar der Besprechung 
brennender innerer Fragen, z. B. der irischen, seit Beginn des Krieges enthalten; sie 
haben aber nie auf das Recht verzichtet, die militärischen und politischen Anordnungen 
des Ministeriums, die mit dem Kriege zusammenhängen, offen und leidenschaftlich zu 
besprechen. Die Autorität der Regierung mag darunter nicht wenig gelitten haben und 
offenbar hofft die liberale Partei, daß sich das ändert, wenn konservative Staatsmänner 
mit ihr die Verantwortung teilen müssen. Eine Schwenkung im Sinne der Friedens 
partei bedeutet dies aber nicht, haben doch die Konservativen der liberalen Politik nicht 
zu große Forschheit, sondern im Gegenteil Mangel an Energie vorgeworfen. 
Die Bildung eines Koalitionsministeriums aus den beiden großen Parteien ist ein in 
der englischen Geschichte unerhörter Vorgang und bezeichnend für den Ernst der Lage." 
Nach der Neubildung des Kabinetts. Von Ende Mai bis August 1915 
Personalien 
2. Juni 1915. 
Aus Anlaß des Geburtstages des Königs Georg ist Lord Kitchener zum Ritter 
des Hosenbandordens ernannt worden. 
Der englische Botschafter in Rom, Sir Rennel Rodd, erhielt für seine vortrefflichen 
Dienste (vgl. VI, S. 280) das Großkreuz des Michael- und Georgsordens. 
1. Juli 1915. 
Amtliche Mitteilung: Sir Edward Grep wird auf den Rat der Aerzte die 
Arbeit für kurze Zeit aufgeben, um seinen angegriffenen Augen Ruhe zu gönnen. In 
zwischen wird Lord Creme (liberal) die Führung der äußeren Politik übernehmen, wobei 
ihn Lord Lansdowne, wenn nötig, unterstützen wird.
	        
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