Volltext: Der Völkerkrieg Band 6 (6 / 1916)

306 Großbritannien während des zweiten Kriegshalbjahres 
April 1915. 
Der englische Minister des Auswärtigen, Sir Edward Grey, verließ London 
am 3. April 1915 mit dreiwöchigem Urlaub. Er traf am 6. April im englischen Haupt 
quartier in Frankreich ein, begab sich von dort ins französische Hauptquartier und dann 
nach Paris, war darauf im Haag und soll von dort am 17. April nach Kopenhagen 
weiter gereist sein. Die Reuter-Meldung vom 13. April 1915, Grey habe seinen Urlaub 
abgekürzt und seine Arbeiten wieder aufgenommen, war eine Irreführung, vielleicht um 
Grey auf seiner Rückfahrt vor deutschen Unterseebooten zu schützen. 
Die Tagung des Parlaments vom 3.Februar bis 17. März 1915 
In der ersten Sitzung der neuen Tagung des Unterhauses am 3. Februar 1915 schlug 
die Regierung vor, während des Krieges von der Einbringung von Gesetzesvorlagen 
abzusehen, die Parteistreitigkeiten erwecken könnten. Der Antrag wurde angenommen, 
nach der Erklärung von Bonar Law, die Opposition werde sich bei einer etwaigen 
Kritik, die ihr zustehe, nicht durch Parteiinteressen, sondern nur durch nationale Rück 
sichten leiten lassen, und nachdem der Ministerpräsident Asquith betont hatte, die Re 
gierung übernehme die alleinige Verantwortung für die Kriegführung und anerkenne die 
bisherige unschätzbare Mitarbeit der Opposition. 
Der Voranschlag für die Armee, nach dem die Mittel zur Unterhaltung eines 
Heeres von drei Millionen Mann gefordert wurden, ist vom Unterhause am 11. Februar 
einstimmig bewilligt worden. Bei der Beratung wurde das Budget in fünf Gruppen 
eingeteilt und jedesmal nur über die Bewilligung eines fiktiven Betrages von 1000 Pfund 
Sterling abgestimmt, um die wirkliche Höhe der beabsichtigten Ausgaben zu verheim 
lichen. In der Besprechung erfuhr die Tätigkeit des Pressebüros eine scharfe Kritik. 
Mißstände im Rekrutierungssystem, bei der Beförderung der Offiziere, bei den Ver« 
waltungsarbeiten des Kriegsministeriums und den Lieferungen für die Armee sind von 
Sir Walter Long in der Sitzung vom 15. März vorgebracht worden, ohne daß der 
Unterstaatssekretär des Krieges, Tenant, eine befriedigende Antwort geben konnte. 
Auch der Voranschlag für die Marine, der die Mittel für 250000 Mann 
verlangt, ist nach längerer Debatte in den ersten Februartagen vom Unterhause genehmigt 
worden. In den Beratungen führte der Erste Lord der Admiralität, Churchill, aus, 
England könne mit den Leistungen seiner Flotte durchaus zufrieden sein, die wohl aus 
gerüstet und bemannt bei dem Transport der australischen, kanadischen und indischen 
Truppen das Aeußerste geleistet habe und unbestritten das Meer beherrsche. Mit Bezug auf 
die von den deutschen Tauchbooten drohende Gefahr sagte Churchill: „Es wird jetzt 
gegen uns Krieg in einer Weise geführt, wie es durch einen gesitteten Staat noch 
niemals geschehen ist. Man darf jedoch nicht glauben, daß wir uns nicht gut ver 
teidigen könnten, auch wenn der Kamps sich äußerst lange hinziehen sollte. Es werden 
zweifellos Verluste vorkommen, indes tief eingreifende Nachteile wohl kaum. Unsere 
Antwort wird vielleicht nicht ganz und gar wirkungslos bleiben. Es darf Deutschland 
nicht gestattet werden, offenkundigen Mord und Seeraub zum System zu erheben. 
Dann sagte der Minister: „Bis jetzt haben wir noch keine Anstalten getroffen, Deutsch 
land die Zufuhr von Lebensmitteln abzuschneiden. Nun aber müssen wir uns ent 
schließen, ob der Genuß solcher Vorrechte noch weiterhin einem Staate vergönnt sein darf, 
der sich in bewußter Weise allen internationalen Verpflichtungen entzogen hat. Die ver 
bündeten Regierungen werden eine Erklärung veröffentlichen, laut der zum erstenmal auf 
den Feind ein Druck zur See mit voller Kraft ausgeübt werden soll." (Vgl. V, S. 233.) 
Churchills Rede fand nicht ungeteilten Beifall: Nach dem „Lolal-Anzeiger" verlangte 
Lord Beresford, der ehemalige Chef der Admiralität, ein Kriegsgericht für diejenigen
	        
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