Volltext: Der Völkerkrieg Band 6 (6 / 1916)

300 Die Ereignisse im fernen Osten von Ende 1914 bis August 1915 
Heeresvorlage, die eine Vermehrung der Armee um zwei Divisionen vorsah, in Oppo 
sition und brachte sie mit 213 gegen 148 Stimmen zu Fall. Darauf verfügte der Kaiser 
am 26. Dezember 1914 die Auslösung des Parlaments. 
Die nun einsetzende Wahlkampagne wurde mit beispielloser Heftigkeit geführt; alle 
Mittel amerikanischer Werbekunst wurden aufgeboten. Und da es der Ministerpräsident 
Graf Okuma verstand, in der chinesischen Frage seine Politik mit dem Programm der 
bisher mächtigen, opponierenden Seijukei-Partei zu vereinigen, brachten die Wahlen denn 
auch einen vollständigenSiegderRegierung;die Seijukei-Partei verlor 73 Sitze. 
Das neue Parlament trat am 22. Mai 1915 zu einer dritten Kriegstagung zu 
sammen und bewilligte am 16. Juni 1915 das außerordentliche Budget in Höhe von 
58 Millionen Jen. das u. a. auch Mittel zur Aufstellung von zwei neuen Divisionen 
in Korea vorsieht. Bald aber regten sich die opponierenden Parteien abermals. Die 
einen warfen der Regierung allzu große Nachgiebigkeit gegenüber England vor, die 
anderen verurteilten das rücksichtslose Vorgehen gegen China (vgl. S. 298). Denn da 
sich das chinesische Volk nach der politischen Niederlage mit wirtschaftlichen Waffen 
wehrte, wurde der politische Gewinn zunächst fast illusorisch gemacht. Die Verwendung 
von Staatsfonds bei den Wahlen gab dann den Anlaß, Oura, den Minister des Innern, 
wegen Korruption anzuklagen, woraus der Ministerpräsident Graf Okuma am 30. Juli 
1915 die Demission des gesamten Kabinetts unterbreitete, die angenommen wurde. 
Die Frage der japanischen Truppensendungen 
Ueber japanische Truppensendungen nach Europa (vgl. III, S. 266; VII, 
S. 264 und IX, S. 220) scheinen tatsächlich Verhandlungen stattgefunden zu haben, 
doch war es den Japanern wohl nie sehr ernst damit; sie benutzten die Verhand 
lungen offenbar nur zu dem Zweck, gegenüber China diplomatisch freie Bahn zu be 
halten. Zugleich konnten sie ihr Zögern damit entschuldigen, daß die chinesische 
Krisis die volle Bereitschaft ihres Heeres für Ostasien verlange. Diesen Gedanken führte 
Baron Kalo in einer halbamtlichen Erklärung aus, in der es dann weiter heißt: „Japans 
Heer ist ein nationales Heer und darf daher nie zu einem Kriege verwendet werden, der 
nicht in unmittelbarer Beziehung zur Sicherheit des eigenen Landes steht. Sollte die 
Kriegslage in Europa eine solche Wendung nehmen, daß Japans Beteiligung verlangt 
wird, weil seine Ehre und Sicherheit bedroht werden, so wird Japan jederzeit zum Bei 
stand bereit sein. Aber auch dann darf nie vergessen werden, daß Japans Heer niemals 
in den Krieg zieht, nur um seinen militärischen Ruhm vor aller Welt zu beweisen." 
Ueber die Meinung des Volks und der Presse berichtet der Tokioter Korrespondent 
der „Vossischen Zeitung": „Da die Sachen der Verbündeten, wie sie uns täglich tele 
graphieren, so herrlich stehen, da die Deutschen nicht schießen können und immer wieder 
zurückgeschlagen werden, so können die Japaner, denen die Mysterien des verbündeten 
Nachrichtendienstes noch nicht ganz klar sind, nicht einsehen, warum sie gar so dringlich 
aufgefordert werden, trotz der Millionen Engländer, die in den nächsten Monaten nach 
der Front abgehen sollen, noch eine halbe Million japanischer Soldaten nach Europa zu 
schicken, wo eigentlich gar nichts mehr für sie zu tun wäre, es sei denn, die deutschen 
Toten zu begraben. Ebenso sträubt sich das Gefühl des ganzen Volkes dagegen, japanische 
Soldaten als Söldner fremder Mächte auf Abenteuer auszusenden und damit auch die 
eigene Nationalverteidigung zu gefährden. Ferner sieht selbst der einfachste Soldat, daß 
es eine Tollheit wäre, japanische Truppen an das andere Ende der Welt zu senden auf 
Wegen, die Japan nicht beherrscht und auch nicht verteidigen kann, so daß seine Soldaten 
bei einem Umschwung des politischen Wetters zu Geiseln werden könnten."
	        
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