Volltext: Der Völkerkrieg Band 6 (6 / 1916)

Nach b e r Besetzung von Tsingtau 
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nach dem Falle Tsingtaus als erste einziehen, dies wurde ihnen aber von ihren 
Verbündeten untersagt; sie durften sich nur ganz hinten den Japanern anschließen, 
und als sie durch die Straßen zogen, drehten sich die Deutschen um und zischten, 
was sie bei den Japanern nicht getan hatten. Um sich dafür zu rächen, bat der eng 
lische General, man möchte ihm die Hälfte der Gefangenen für Hongkong geben. Dies 
wurde ihnen aber ebenfalls abgeschlagen. Die Japaner sagten ganz richtig: Ihr habt 
nicht mitgekämpft, also bekommt Ihr auch nichts. Siebzig Japaner und ein Offizier 
wurden wegen Plünderns erschossen. Die englischen und indischen Soldaten, die am 
meisten plünderten, wurden von ihren Offizieren in dieser Beschäftigung nicht gestört; 
man entwaffnete aber sämtliche englischen Truppen." Auch wegen der künftigen provi 
sorischen Verwaltung des Schutzgebiets soll es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den 
Verbündeten gekommen sein, aus denen die Japaner wiederum als Sieger hervorgingen. 
Die Japaner verloren vor Tsingtau nach den amtlichen Verlustlisten 1303 Tote, 
davon 37 Offiziere, und 4100 Verwundete, davon 108 Offiziere. 
Die japanische Regierung, die aus eine Anfrage Anfang Dezember 1914 durch den 
Minister des Auswärtigen, Kato, in der Kammer erklären ließ, eine Rückgabe von Kiau- 
tschau sei keiner Macht zugesagt worden und werde nicht erwogen, setzte für Tsingtau 
und die Provinz Schantung Baron Furrakhi als Zivilgouverneur mit dem Rang 
eines Vizekönigs ein; militärischerGouverneurder Festung Tsingtau blieb General 
Kamio, der den Angriff leitete. Ein Erlaß des Mikado bestimmte Ende Januar 1915 
Tsingtau zum zweiten Kriegshafen der japanischen Hochseeflotte und versetzte 350 japa 
nische Beamte nach Tsingtau und Schantung. 
In einer halbamtlichen Erklärung vom 1. Januar 1915 hat die japanische Regie 
rung ihren Standpunkt bezüglich Tsingtau noch genauer festgelegt. Sie betonte darin, 
daß China erst nach Erlöschen des seit über 15 Jahren gültigen, auf 99 Jahre mit 
Deutschland abgeschlossenen Pachtvertrages ein Recht auf Tsingtau habe, das natürlich 
schließlich an China zurückfallen müsse; aber man könne nicht dulden, daß China das 
Territorium, das japanische und englische Truppen und Schiffe mit einem Kostenaufwand 
von mindestens fünf Millionen Pfund Sterling blockiert und eingenommen hätten, an 
Deutschland zurückgebe. Die Verträge Japans mit England und Amerika zum Schutze 
der Integrität Chinas würden von Japan gewissenhaft beobachtet. 
Das Leben in Tsingtau ging bald wieder seinen gewohnten Gang, der Wieder 
aufnahme des Betriebs der deutschen Geschäfte und Hotels wurde nichts in den 
Weg gelegt. Die japanischen Behörden richteten sich in den staatlichen Gebäuden 
häuslich ein. Der größte Teil der Truppen zog allmählich ab; etwa 1000 Mann blieben 
als Besatzung zurück. Bald aber erfuhr der ursprünglich freundliche Verkehr zwischen 
Deutschen und Japanern eine merkliche Abkühlung, die aus die englische Hetze zurück 
geführt wird, wohl aber auch darin ihren Grund hatte, daß viele Deutsche, durch 
das vorsichtige und höfliche Auftreten der Japaner ermutigt, die Hoffnung erkennen 
ließen, die deutsche Flagge werde bald wieder über Tsingtau wehen. Am 22. Januar 
1915 wurden die meisten deutschen Landsturmleute, unter ihnen auch der frühere Chef 
der Landesverwaltung, Geh. Regierungsrat Günther, der zur Vertretung der Interessen 
der Deutschen zurückgeblieben war, nach eingehenden Haussuchungen als Kriegsgefangene 
nach Japan gebracht, da sie, wie der Vorsitzende des Gefangenenbüros, Generalmajor 
Kawei, erklärte, „als ehrliche Männer das Tragen von Uniform und Waffen während 
der Belagerung zugegeben hätten". Nach einem Bericht des Tokioer „Asahi" habe die 
Regierung die Abreise dieser kriegstüchtigen Männer nach Europa befürchtet. 
Spätere Berichte, so der eines aus Japan Anfang Mai 1915 in die Heimat zurück 
gekehrten Kriegsgefangenen, der in der „Kreuzzeitung" veröffentlicht worden ist, schildern die
	        
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