Volltext: Der Völkerkrieg Band 6 (6 / 1916)

272 Der Seekrieg von Mitte Mai bis August 1915 
an die Schlußschiffe des Gegners herangekommen und hatten in das Gefecht eingegriffen. 
Der Feind richtete sein Feuer hauptsächlich gegen das ihm nächste und schwächste Schiff, 
„Lübeck"; doch erzielte er keinerlei Erfolge, auch nicht, als ihm aus einer Nebelwand 
heraus gegen 8 Uhr 30 Minuten vormittags, sein neuester und stärkster Panzerkreuzer 
„Rurik" zu Hilfe kam. „Roon" und „Augsburg" stießen auf diesen vor, um „Lübeck" 
zu entlasten, was zur Folge hatte, daß „Rurik" abdrehte. Das Gefecht, in dem die 
Russen nach eigenem Eingeständnis wahrscheinlich durch die schwere Artillerie von „Roon" 
Beschädigungen erlitten haben, endete gegen IO Uhr, wo der Gegner infolge des unsich 
tigen Wetters im Norden aus Sicht kam, bevor weitere Verstärkungen von uns auf dem 
Kampfplatze erscheinen konnten. Trotz der lebhaften und dauernden Beschießung durch 
die an Zahl und Gefechtskraft weit überlegenen russischen Schiffe haben unsere Kreuzer, 
abgesehen von „Albatroß", keinen einzigen Treffer erhalten." Dagegen mußte der „Rurik", 
wie aus späteren privaten Nachrichten hervorgeht, erheblich beschädigt nach Kronstadt zur 
Wiederherstellung gebracht werden. 
Nach Aussagen der deutschen Matrosen sind dem „Albatroß", wie der „Norddeutschen 
Allgemeinen Zeitung" aus Stockholm berichtet wurde, gerade auf dem neutralen See- 
gebiet die schwersten Beschädigungen zugefügt worden. Russische Granaten schlugen nach 
dem Bericht des Kommandanten auf Gotland an die schwedische Regierung, sogar aus 
dem Strand ein, sausten über Oestergarnsholme und dicht am Leuchtturmplatz vorbei, so 
daß das Leuchtturmpersonal Schutz in einer Höhle auf der Westseite der Insel suchen 
mußte. Hundert Meter vom Strand lief das Schiff auf und lag dort mit starker 
Schlagseite, die deutsche Flagge im Topp auf dem Hintermast, während der Vordermast 
fortgeschossen war. Als das Schiff auflief, spielte die Musikkapelle an Bord die deutsche 
Nationalhymne und die Besatzung brachte Hurrarufe aus. Nach den Aussagen von 
Augenzeugen im „Svenska Dagbladet" bot das Schiff mit seinen Toten und Verwun 
deten einen schaurigen Anblick. Eine Granate war im Operationsraum des Schiffes 
geplatzt, wobei zehn Verwundete getötet und der Schiffsarzt Di. Karillon tödlich verletzt 
wurde, so daß er auf dem Transport nach Roma starb. Von allen Seiten strömte die 
Bevölkerung herbei, um nach Möglichkeit zu helfen; es war rührend zu sehen, wie die 
alten Fischerfrauen die ungewohnten Krankendienste zu leisten versuchten. Dann kamen 
Aerzte und Pflegerinnen in Automobilen. Trotz der furchtbaren Verletzungen hörte man 
keinen Schmerzenslaut; still und ruhig, mit Zigarren oder Zigaretten im Munde, warteten 
die Verwundeten ab, bis die Reihe an sie kam. Später sind sie nach Roma verbracht 
worden, wo sie sorgfältige Pflege fanden. Am Mittag wurde an Bord des „Albatroß" 
eine kurze Totenfeier gehalten, dann entließ der Kommandant die Besatzung. Hurras er 
klangen auf Deutschland und den Kaiser, und erst jetzt wurde, entgegen der russischen 
Behauptung, die Flagge gestrichen. Der Kommandant ersuchte daraus die Behörden, das 
Schiff und die Besatzung zu internieren, worauf in Roma ein Internierungslager für 
die 190 Ueberlebenden der Besatzung eingerichtet wurde. Die Einsegnung der Opfer des 
„Albatroß", 26 Matrosen und ein Offizier, wurde am Abend des 2. Juli 1915 vom Orts 
geistlichen von Oestergarn, Pastor Berglund, vorgenommen. Der Kommandant des 
„Albatroß", Kapitän West, und der deutsche Konsul sprachen am Grabe, das von der 
Bevölkerung mit Blumen und Grün geschmückt worden war. Eine Kompagnie der got- 
ländischen Infanterie erwies den deutschen Helden die letzten militärischen Ehren." 
Wie später, am 23. Juli 1915, aus Wisby gemeldet wurde, ist S.M.S. „Albatroß" 
abgebracht und vorläufig nach Farösund überführt worden. 
* * * 
Nach einer amtlichen Mitteilung der schwedischen Regierung vom 7. Juli 1915 erhielt 
der Petersburger Gesandte Schwedens, Brandström, sofort nach Eintreffen der Nach-
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.