Volltext: Der Völkerkrieg Band 6 (6 / 1916)

264 Die österreichisch-ungarische Monarchie während des zweiten Kriegshalbjahres 
frieden, den die Monarchie vorgeschlagen hätte, mit Vorbehalt aufzunehmen seien." ... 
Das „Fremdenblatt" schließt: „Oesterreich-Ungarn hat diesen Krieg nicht gewünscht 
und alles, was in seiner Macht stand, getan, um seinen Ausbruch zu verhüten. Da er 
uns aber aufgezwungen wurde, werden wir ihn im Verein mit unsern treuen Verbündeten 
und mit unerschütterlicher Zuversicht fortführen bis zum Ende, das nur in einem ehren 
vollen und dauernden Frieden für Oesterreich-Ungarn und seine Verbündeten bestehen kann." 
Die österreichische Sozialdemokratie 
Im Kriege mußte es sich entscheiden, was im Herzen des sozialistischen Arbeiters 
das Primäre ist, das Volk oder die Arbeiterbewegung. Die Frage lautete, welche der 
großen politischen Organisationen von den Einzelnen ehrlich als diejenige anerkannt 
würde, die für ihn die zentrale Gemeinschaft sei, der er am willigsten seine Person 
unterordne und selbst sein Leben opferte. 
Die Entscheidung ist, wie in einem Artikel der „Frankfurter Zeitung" ausgeführt 
wurde, fast allenthalben zugunsten des Staates gefallen. „Wenn aber die Schick 
salsfrage an die Sozialdemokratie des Deutschen Reichs verhältnismäßig klar und 
einfach war, so lag die Sache für die österreichische Sozialdemokratie ungleich verwickelter. 
Eine einheitliche Sozialdemokratie gibt es in Oesterreich-Ungarn, wie bekannt, nicht, 
und jede nationale Gruppe stand vor einer anderen Situation. Für die tschechische 
Sozialdemokratie bedeutete die Kumulierung des nationalen und des Parteimoments 
eine doppelte Hemmung in der Ausbildung eines vorbehaltlosen österreichischen Staats 
bewußtseins und dies um so mehr, als sich viele unter ihnen eigentlich nur durch die 
Schrankenlosigkeit ihres nationaten Radikalismus von ihren Volksgenossen scheiden. Es 
ist ein gutes Zeichen für die Festigkeit des österreichischen Staatsgefüges, daß trotzdem 
die Tschechen aller Schattierungen sich in Reih und Glied gestellt haben. Anders war 
der Gesichtspunkt der polnischen Sozialdemokraten. Sie gewannen ihre Stellung zum 
Kriege vor allem dadurch, daß sie sich ihrer Feindschaft gegen Rußland erinnerten und 
daß sie sich außerdem vor Augen hielten, wie sehr die polnische Sache mit dem Siege 
der Zentralmächte verknüpft ist. Im Gedanken hieran haben österreichische Polen, unter 
stützt von einem Teil ihrer Volksgenossen aus Rußland, mit der Schaffung der polnischen 
Legion eine Leistung vollbracht, die über das Maß der normalen Pflichterfüllung weit 
hinausging, und es ist bekannt, daß Sozialdemokraten an dieser Leistung in erster Linie 
beteiligt sind. Verhältnismäßig am einfachsten war die Entscheidung der deutschen 
Sozialdemokraten Oesterreichs. Ihr deutsches Nationalgefühl war für sie nur ein Grund 
mehr, als gute Oesterreicher zu kämpfen; es gab für sie in diesem Kriege keinen Wider 
streit des Volksbewußtseins und der Staatsgestnnung. Da das österreichische Parlament 
seit dem Beginn des Krieges noch nicht versammelt gewesen ist, so haben die deutsch 
österreichischen Sozialdemokraten keine Gelegenheit gehabt, ihre Stellung zum Kriege im 
Reichsrat festzulegen; man braucht aber nur die „Arbeiterzeitung" zu lesen, um zu sehen, 
daß die Haltung dieser Politiker der des verständigsten Teils der reichsdeutschen Sozial 
demokratie durchaus ähnlich ist. Zudem hat Viktor Adler, dessen Ansehen als Führer 
der deutsch-österreichischen Sozialdemokratie unbestritten ist, in einem Aussatz der „Arbeiter 
zeitung" ausdrücklich erklärt, daß die sozialdemokratische Fraktion in Berlin auch für 
die Oesterreicher gesprochen habe. „Jeder von uns", so schreibt er im Anschluß daran, 
„hat in jenen furchtbaren Augustwochen des Jahres 1914 die erdrückende Schwere des 
tragischen Konflikts empfunden, aber keiner, der nicht die proletarische Politik als ein 
Gedankenspiel im luftleeren und vor allem menschenleeren Raume ansieht, konnte eine 
andere Entscheidung treffen."
	        
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