Volltext: Der Völkerkrieg Band 6 (6 / 1916)

Oesterreich «Ungarns Wirtschaftsleben im zweiten Kriegshalbjahre 257 
Oesterreich-Ungarns Wirtschaftsleben 
im zweiten Kriegshalbjahre 
Ein Ueberblick von Erich Dombrowski 
Genau so wie Deutschland sah stch Oesterreich-Ungarn, wenn auch etwas später, 
durch ein staatliches Eingreifen die Versorgung des Volkes mit Brot sicher zu 
stellen. Das staatsrechtliche und staatswirtschaftliche Verhältnis der beiden Donaustaaten 
zu einander erschwerte freilich ein einheitliches Vorgehen, wie es in Deutschland von 
vornherein möglich gewesen war. Die Suspendierung der Brotzölle konnte denn auch 
erst im Oktober 1914 ausgesprochen werden, und die Verordnung über die Höchstpreise 
für Getreide kam gar erst im November desselben Jahres heraus. Und da beide Länder 
gerade in dieser Frage entgegengesetzte Interessen hatten, mußte man von einer gleich 
mäßigen Regelung der Höchstpreise absehen. Oesterreich mußte mit seinem Einfuhrbedars 
aus möglichst niedrige Preise bedacht sein, während Ungarn als Getreideausfuhrland von 
höheren Preisen Vorteil hatte. Infolgedessen verständigte man stch lediglich über die 
Richtpunkte, überließ aber alle Einzelheiten den beiderseitigen Verwaltungsbehörden; und 
auch hier nicht den obersten Zentralbehörden, sondern den Verwaltungsbehörden der ein 
zelnen Bezirke. Die Festsetzung der Preise erstreckte sich auf Weizen, Roggen, Mais und 
Gerste, sowie (im Gegensatze zu Deutschland) auch aus Mehl. Bald daraus folgten auch 
Verordnungen über Höchstpreise für Kartoffeln und Hafer, ferner ein Verbot der Ver- 
fütterung von Getreide und Mehl. Hand in Hand mit diesen Bestimmungen zur Preis 
regulierung gingen staatliche Vorkehrungen zur Streckung der Mehlausbeute aus Weizen 
und Roggen und zur Beimengung von Surrogaten. Die Behörden nahmen auch ein 
staatliches Ansorderungsrecht für sich in Anspruch, wonach jeder verpflichtet war, seine 
Vorräte, soweit sie den eigenen Bedarf überschritten, der Behörde zu den gesetzlichen 
Höchstpreisen zu überlassen. 
Es stellte sich aber bald heraus, daß diese Maßnahmen noch keineswegs genügten, ja 
sogar zu allerlei Mißhelligkeiten führten, denn der Handel war eine zeitlang fast völlig 
unterbunden, da Landwirte und Händler gegen die Verordnungen obstruierten, indem sie 
nicht verkauften. Die Regierung sah sich daher, zumal da eine gewisse Knappheit an 
Vorräten nicht wegzuleugnen war, zu weiteren Schritten veranlaßt. Ende Februar 1915 
verfügte eine kaiserliche Verordnung die Sperrung der sämtlichen vorhandenen Mehl 
vorräte und verfügte eine genaue Bestandsaufnahme. Gleichzeitig wurde eine Getreide- 
Verkehrsanstalt ins Leben gerufen, der die Aufgabe zugewiesen wurde, die überschüssigen 
Vorräte auszukaufen oder zu enteignen, sie sachgemäß zu lagern, zu vermahlen und an 
die Orte des Bedarfes zu übermitteln. Sie wurde unter staatliche Aufsicht gestellt und 
ihr ein Beirat angegliedert, der sich aus wirtschaftlich besonders vertrauten Persönlichkeiten 
zusammensetzte. Es galt nun, zunächst durch Aufteilung der verfügbaren Vorräte, ein 
schließlich der aus Ungarn eingeführten Mengen, auf die gesamte Bevölkerung Oesterreich- 
Ungarns die Kopfquote zu berechnen und sodann danach den Verbrauchsanteil der ein 
zelnen Verwaltungsgebiete zu vestimmen. Schon vorher war eine Reihe einschränkender 
Einzelbestimmungen in Kraft getreten. Die Verwendung von seinem Weizenbackmehl zur 
Brotherstellung wurde z. B. vollständig verboten. Ferner durfte die zur Broterzeugung 
verwendete Mehlmenge in Zukunft nur bis zu 50 Prozent aus Weizenbrotmehl oder 
Roggenmehl bestehen, während der Rest Surrogate enthalten mußte. Das Kuchenbacken 
wurde auf zwei Tage in der Woche beschränkt. Im weiteren Verlaufe des zweiten Kriegs 
halbjahres wurden die Landesbehörden des Weiteren ermächtigt, die Erzeugung von 
Kleingebäck einzuschränken oder ganz zu verbieten. Der tägliche Verbrauch auf den Kopf 
WIkerkrieg. IX. 17
	        
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