Volltext: Der Völkerkrieg Band 6 (6 / 1916)

Die zweite Kriegstagung des ungarischen Reichstages vom 19. April bis 26. Mai 1915 253 
durchdrungen sind. Ebenso gedenke ich der Türkei, die ihr Schicksal an das unserige 
geknüpft hat und ebenfalls mit übermenschlicher Kraft und getreu ihren historischen Tra 
ditionen einen Heldenkampf führt. Von dieser Ueberzeugung geleitet, bewilligt die ganze 
Opposition und auch die Verfassungspartei, in deren Namen ich spreche, alle geforderten 
Opfer. Die Opposition bewilligt alles, behält sich jedoch das Recht der objektiven Kritik 
vor. Heute will sie nur der Welt zeigen, daß die Ungarn, wenn ihr Land in Gefahr 
ist, einmütig nur eins wollen: Sieg! Je schwieriger die Lage, um so größer ist die 
Entschlossenheit der ungarischen Nation. Je mehr Opfer gebracht werden müssen, um 
somehr Opfer werden wir bringen." 
Die Vorlage über die Ergänzung der österreichischen Regimenter durch Ungarn die von 
der Regierung eingehend begründet worden war, ist, obwohl die Unabhängigkeitspartei 
die Vorlage ablehnte, doch mit überwältigender Mehrheit gleichfalls am 27. April 1915 
angenommen worden, da die Versassungspartei nach der Rede des Grasen Julius An- 
drassy für sie eintrat, in der Erwägung, daß im Hinblick aus den erstrebten Sieg jede Vor 
lage angenommen werden müsse, die von der Regierung im Einvernehmen mit der Heeres 
leitung als im Interesse der Kriegführung nötig eingebracht werde. 
In der Sitzung vom 28. April ist dann bei der Beratung des Gesetzentwurfes über 
die Verlängerung der Mandatsdauer des gegenwärtigen Reichstages beschlossen 
worden, daß die Neuwahlen, die Mitte Juni 1915 hätten stattfinden sollen, erst ein 
halbes Jahr nach Friedensschluß erfolgen sollen. Auch die Munizipalwahlen sollen 
erst drei Monate nach dem Friedensschluß stattfinden. 
Vom 3. bis 6. Mai 1915 dauerten die Verhandlungen des Abgeordnetenhauses über 
das sechsmonatliche Budget-Provisorium, in deren Verlaus sich der Ministerpräsident 
Graf Tisza in längerer Rede auch über den Wechsel im Ministerium des Aeußeren 
(vgl. III,S. 51) und über das Verhalten der nichtmagyarischen Bevölkerung Ungarns 
äußerte. Er betonte, daß der Ministerwechsel keine Aenderung in bezug auf die Richtung und 
die Grundprinzipien der äußeren Politik bedeute und erklärte auf das bestimmteste, daß, 
wenn in diesem Kriege auch seitens ungarischer Staatsbürger Symptome von Verrat 
vorgekommen seien, sich diese aus ein, zwei sporadische Ausnahmefälle beschränken. Was 
den nördlichen Teil des Landes betrifft, habe die dortige Bevölkerung nichtungarischer 
Zunge unzweifelhaft Beweise ihrer patriotischen Treue gegeben und diesbezüglich auch 
solche eines Besseren überzeugt, die sich zu Beginn des Krieges über die Nationalitäten 
bevölkerung dieser Gegend mit weniger Vertrauen und Anerkennung geäußert hatten. 
Was die im südlichen Teile des Landes, eigentlich weniger in dem im engen Sinne 
genommenen Ungarn als in einigen Teilen Kroatiens und Slawoniens zutage getretenen 
Erscheinungen betrifft, so seien hier allerdings Dinge vorgekommen, die auf die poli 
tischen Gefühle mancher Teile der Bevölkerung ein sehr unangenehmes Licht werfen. 
Aber auch diese seien von viel geringerer Bedeutung, sie erstrecken sich aus viel weniger 
Personen und waren viel weniger allgemein, als manche geglaubt und insbesondere unsere 
Feinde verbreitet haben. 
Das Gesetz gegen Mißbräuche bei Heereslieserungen ist am 11. Mai ein 
stimmig angenommen worden, der Gesetzentwurf betreffend die vermögensrechtliche 
Haftung von Vaterlandsverrätern am 15. Mai und das Gesetz über die Er 
weiterung der Ausnahmeversügungen im Kriege mit einem vom Magnaten 
haus beantragten Zusatz über die Berechtigung der Regierung zu Zwangsimpfungen in 
der letzten Sitzung der Tagung am 26. Mai 1915. 
* * * 
Das Magnatenhaus hat in seiner Eröffnungssitzung am 19. April 1915 nach der 
Begrüßungsansprache seines Präsidenten Samuel Josika ein Telegramm an den Oberkom-
	        
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