Volltext: Der Völkerkrieg Band 6 (6 / 1916)

Von der Regierung 
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ungefähr 30000 polnische; Chotzen, Böhmen, für rund 20000 polnische; Nikolsburg, 
Pohrlitz und Gaya, Mähren, für etwa 20000 jüdische; Bruck a. d. Leitha für ungefähr 
3000 jüdische Flüchtlinge) sind derzeit über 100000 polnische und jüdische Flüchtlinge 
in Gemeinden Böhmens, etwa 20000 polnische und jüdische in Flüchtlingsgemeinden 
Mährens, rund 10000 polnische in Flüchlingsgemeinden Steiermarks, einige tausend 
deutsche, ruthenische und rumänische Flüchtlinge in Gemeinden Niederösterreichs und 
Oberösterreichs auf Staatskosten untergebracht. Die größeren Flüchtlingsgemeinden sind 
die Hauptstädte, und zwar Wien mit ungefähr 200000 unbemittelten Flüchtlingen aller 
Nationen und Konfessionen, in bescheidenem Ausmaße Brünn, Prag und Graz, insgesamt 
mit nicht viel unter 100000 Flüchtlingen. Die Zahl der derzeit in Staatsoersorgung 
befindlichen unbemittelten Flüchtlinge beträgt somit mehr als 600000 Menschen, eine 
Zahl, die infolge der Dauer des Krieges täglich dadurch zunimmt, daß bisher bemittelte 
Flüchtlinge ans Ende ihrer Mittel gelangen und an die staatliche Hilfe appellieren müssen. 
Um einen approximativen Ueberblick über die Kosten zu geben, die lediglich aus dem 
Titel der Unterbringung und Verpflegung der Flüchtlinge dem Staatsschätze erwachsen, 
kann darauf verwiesen werden, daß sich bei einer Durchschnittszahl von 600 000 Flücht 
lingen, bei einer durchschnittlichen Unterstützung von sechs Monaten und bei der Annahme 
eines staatlichen Unterstützungsbeitrages von 70 Heller für Kops und Tag eine Summe 
von mehr als 75 Millionen Kronen ergibt. Für diese Flüchtlinge bildeten sich allent 
halben unter Mitwirkung der Verwaltungsbehörden und der autonomen Körperschaften 
Hilfskomitees, deren Zahl bereits über 100 gestiegen ist." 
Sektionsrat Dr. v. Marquet bespricht sodann die verschiedensten Wohlfahrtseinrichtungen, 
insbesondere das Unterichtswesen, die Kinderhorte, Mädchenheime, dann die Einrichtungen 
für die Seelsorge, für die Unterstützung der Flüchtlinge mit Kleidern, Wäsche usw., die 
insbesondere vom Staate getroffen wurden, schildert die Flüchtlingsfürsorge in Wien, 
deren Zentralstelle aus staatlichen Mitteln für die individuelle Unterstützung von Flücht 
lingen den Betrag von 700 000 Kronen wöchentlich ausbezahlt, und fährt dann in fol 
gender Weise fort: „Neben der Durchführung der individuellen Unterstützung der Flücht 
linge hat die Wiener Zentralstelle — gleichfalls zum größten Teil aus staatlichen Mitteln — 
eine ganze Reihe von kulturellen und sozialpolitischen Einrichtungen für das Wohl der 
nach Wien geflüchteten Bevölkerung ins Leben gerufen, von welchen hier nur der Kinder 
hort für 1000 Flüchtlingskinder, zwei für hunderte von Flüchtlingskindern bestimmte 
Kinderheime, zwei Mädchenheime für alleinstehende Flüchtlinge weiblichen Geschlechts, 
die Kleider- und Wäscheverteilungsstelle, das unter Leitung des Rektors von Twardowski 
stehende Studentenheim, die mit dem galizischen Landeshilfsverein gemeinsam errichtete 
Nähstube für weibliche Flüchtlinge, die von Frau Anita Müller errichtete spezielle 
Säuglings- und Wöchnerinnenfürsorge, eine Teestube und Suppenanstalt für Flüchtlinge, 
eine Kohlenverteilungsstelle und die im Rahmen des staatlichen Dienstes eingerichtete 
Vermißtensuche angeführt werden sollen. Neben diesen amtlichen, beziehungsweise öffent 
lichen Einrichtungen bestehen in Wien eine Unmenge privater Initiative entsprungene 
und mit privaten Mitteln unterhaltene Fürsorgeinstitutionen (Speiseanstalten, Jausen- 
und Frühstücksstuben, Brot- und Kleiderverteilungsstellen usw.), die eine wirklich segens 
reiche Tätigkeit entfalten. Aehnlich — wenn auch nicht überall so entwickelt — sind die 
Einrichtungen in den übrigen größeren Flüchtlingsgemeinden und Niederlassungen; die 
Verwaltungsbehörden, die Fürsorgekomitees und alle sonst mitwirkenden Stellen nehmen 
an ihrem Ausbau regen Anteil. Daß sich in der ganzen Aktion da und dort Hemmnisse 
und Reibungen ergeben haben, daß manche Wünsche der einzelnen Flüchtlinge unerfüllt 
geblieben sind, ist natürlich. Das ist aber mit dem Nachlassen der psychologisch erklär 
lichen Nervosität unter den Flüchtlingen besser geworden."
	        
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