Volltext: Der Völkerkrieg Band 6 (6 / 1916)

Von der Regierung 
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eine Sonderstellung des „Königreichs Böhmen", analog der des ungarischen Staates, in der Monarchie 
an, in der Erwartung, daß in einem ganz vom Reichsrat unabhängigen Böhmen das zahlenmäßige 
Uebergewicht der Tschechen über die Deutschen ganz anders zur Geltung käme als jetzt, wo die 
Deutschböhmen immer wieder Rückhalt an den übrigen Deutschen des Reiches haben. 
Nun ist der böhmische Feudaladel seiner Abstammung nach durchaus deutsch, und es könnte immer 
hin wunder nehmen, daß Abkömmlinge deutscher Geschlechter sich in den Dienst einer direkt deutschen 
feindlichen Politik stellen. Da gibt es aber ein verbindendes Mittelglied, das die Brücke von diesem 
zum jenseitigen politischen Ufer bildet: der böhmische Feudaladel ist durchaus dynastisch und glaubte 
zumal nach dem Jahre 1866 der Dynastie Habsburg einen Dienst zu erweisen, wenn er einen scharfen 
Gegensatz zur Dynastie Hohenzollern, damit zum Deutschen Reiche und endlich zum gesamten Deutsch 
tum markierte. Es gab ja, zumal vor dem jetzigen Kriege, ein spezifisches Nur-Oesterreichertum, das 
in seinen Extremen — Kramarz und Genossen — sogar gegen das Bündnis mit dem Deutschen 
Reiche selbst Stellung nahm, in seiner opportunistischen Mitte das Bündnis wohl tolerierte, aber 
innerhalb desselben unter geschickter Ausnützung aller Rivalitäten als besondere Aufgabe des öster 
reichischen Patriotismus deklarierte, den geschichtlich überkommenen deutschen Charakter des Staates 
im Sinne einer geschichts- und tatsachenwidrigen völligen Gleichstellung aller österreichischen Völker 
abzuändern. Daher die Tendenz, das Deutschtum numerisch und politisch zu schwächen, die slawischen 
Völker aber künstlich zu heben und zu strecken und sie dadurch „für den Staat zu gewinnen." 
Es hat sich gezeigt, daß diese innere Politik der österreichischen Regierung nicht weiter verfolgt 
werden kann, und deshalb mußte der „ungekrönte König von Böhmen" seines Amtes enthoben werden. 
Graf Max Coudenhove wurde am 27. Dezember 1865 in Wien geboren und widmete sich 
der politischen Beamtenlaufbahn. Er trat im Jahre 1887 bei der Brünner Statthalterei in den 
Staatsdienst. In den Jahren 1891 bis 1900 leitete er die Bezirkshauptmannschaft Mährisch-Weiß- 
kirchen, rückte dann wieder als Statthaltereirat bei der Statthalterei in Brünn ein und wurde zwei 
Jahre später mit der Leitung des Statthaltereipräsidiums betraut. Im Jahre 1905 wurde er zum 
Rate am Verwaltungsgerichtshofe ernannt, 1908 zum Nachfolger des Freiherrn v. Heinold als Landes 
präsident von Schlesien und im Mai 1911 zum Geheimrat. 
Adalbert Freiherr v. Widmann wurde am 20. Mai 1868 geboren. Im April 1891 trat 
er bei der böhmischen Statthalterei in den Staatsdienst und war zunächst mehrere Jahre bei den 
politischen Behörden dieses Kronlandes tätig. 1898 als Bezirkskommissär in das Ministerium des 
Innern berufen, rückte er dort zum Sektionsrate vor, bis er am 3. April 1909 zum Hofrate bei der 
Landesregierung in Troppau und zum Stellvertreter des Präsidenten der schlesischen Landesregierung 
ernannt wurde. Von hier wurde er am 9. Januar 1911 bei der dritten Rekonstruktion des Kabinetts 
Bienerth als Ackerbauminister in den Kronrat berufen. Als am 3. November 1911 das Gesamt 
ministerium aus dem Amte schied, behielt sich der Kaiser die nun erfolgte Wiederverwendung des 
Freiherrn v. Widmann im Staatsdienste vor. 
21. April 1915. 
Zum Generalgouverneur der von den Verbündeten in Besitz genommenen Teile Russisch- 
Polens ist Baron Andrian-Werburg, bisher österreichisch-ungarischer Konsul in 
Warschau, ernannt worden. 
1. Juni 1915. 
Baron Erwin Roszner ist zum Minister am Kgl. Hoflager ernannt worden, an 
Stelle des Ministerpräsidenten Grafen Tisza, der diesen Posten bisher interimistisch be 
kleidete (vgl. III, S. 51). 
Baron Erwin Roszner, der im Jahre 1854 geboren ist, war in jungen Jahren Professor 
der Rechtsgeschichte und des Kirchenrechtes an der Großwardeiner Rechtsakademie. Im Jahre 1877 
wurde er ins Magnatenhaus berufen, dem er bis zu dessen Reorganisierung im Jahre 1885 an 
gehörte. Im Jahre 1883 ist er zum k. u. k. Kämmerer ernannt und 1887 zum Abgeordneten gewählt 
worden, worauf er von seiner Professur zurücktrat. Unter dem Kabinett Szell wurde Baron Roszner 
zum Gouverneur von Fiume ernannt, welche Stelle er bis 1904 bekleidete. Durch seine Ernennung 
wird Graf Stephan Tisza entlastet, der seit der Ernennung des Barons Burian zum Minister des 
Aeußeren provisorisch auch dieses Ressort und seit der Internierung des Grafen Theodor Pejacsevich 
in Frankreich überdies noch das Ministerium für Kroatien verwaltet hatte.
	        
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