Volltext: Der Völkerkrieg Band 6 (6 / 1916)

Von der Regierung 
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sührungen in der „Neuen Zürcher Zeitung", „die österreichische Ueberraschung. Und 
dieses Zusammengehörigkeitsgefühl geht sogar über die Deutsch-Oesterrcicher noch hinaus, 
es ist bei den Ungarn fast noch stärker, und man findet cs öfters, als es 1914 
noch möglich gewesen wäre, bei Polen, Kroaten und auch Tschechen. Sie haben im Felde 
gesehen, was die „deutschen Brüder" leisten, die Geheimnisse ihrer Vorbereitung, ihres 
nie versagenden Talentes für Staatlichkeit gesehen, und jenes Beispiel hat alle Ver 
ärgerungen einer vertrockneten Bureaukratie und mancher früherer höfisch-aristokratischen 
Abneigungen gegen die „Preußen" weggeschwemmt. Das österreichische Gefühl, das man 
früher kaum recht kannte in diesem erstaunlichsten aller Staaten, es hat sich um diese 
vielgeprüfte, vielduldende, unbeugsame und hartnäckige Armee angesammelt, und das Ver 
trauen, am Anfang nach Mißerfolgen schwankend, ist nunmehr unzerstörbar geworden 
und würde jetzt auch die härtesten Prüfungen ertragen. Das Volk hat eine Nachmusterung 
hinter sich, die von den Männern bis zum 42. Jahre mehr als die Hälfte ins Feld 
schickt, und steht vor der Musterung aller Männer bis 50 Jahre; es weiß sehr wohl, wie 
viele schon fehlen, und es ersehnt heiß, wie alle Völker Europas, den Frieden. Aber 
es ist jetzt entschlossener als früher, das Kreuz bis zum Ende zu tragen, und der Ge 
danke eines Friedens um jeden Preis wird allgemein verabscheut; denn das öster 
reichische Gefühl ist eben aufgewacht und die Hoffnung ist stark, daß mit dem kom 
menden Frieden das alte Oesterreich, an dem alle litten, begraben sein wird mit 
seinem nationalen Gezänk, mit der Gebundenheit der eigenen Kräfte; ein jeder sieht schon 
die erneute Monarchie vor sich, die mit und neben Deutschland gemeinsam sich in der 
weiten Welt bewähren wird. Der Krieg hat bewirkt, daß die Völker der Monarchie 
sich kennen lernten, Ungarn ist dem Tiroler, Galizien dem Steirer, der Jsonzo dem 
Mährer kein leerer Begriff mehr, er hat sie gesehen, hat dort gestritten und gelitten, 
hat dort den Mann, Sohn, Bruder begraben und ist entschlossen, die geheiligte Erde 
nicht wieder aufzugeben. 
Dies ist die große österreichische Ueberraschung: daß der Weltkrieg es nicht zerfallen 
ließ, sondern erst aus ihm einen einheitlichen Staat machte." 
Von der Regierung 
Personalien 
7. Februar 1915. 
Kaiser Franz Josef hat den gemeinsamen Finanzminister Dr. Leon Ritter von 
Bilinski aus seine Bitte mit einem Handschreiben von seinem Amte enthoben und den 
Geheimen Rat Ministerpräsidenten a. D. Ernest v. Körb er zum gemeinsamen Finanz 
minister ernannt. Da Ritter v. Bilinski der einzige Pole im Ministerkollegium war und 
man die Polen nicht ohne feste Vertretung in der Regierung lassen wollte, ist der bis 
herige provisorische Leiter des Ministeriums für Galizien, Sektionschef v. Morawski 
zum Minister für Galizien ernannt worden. 
Ernest v. Körb er ist am 6. November 1850 in Trient geboren,, wurde 1872 Rechtspraktikant 
und trat zwei Jahre später ins Handelsministerium über. Schon 1887 ist er mit der Leitung des 
Präsidialbureaus in diesem Ministerium betraut worden, in welcher Eigenschaft er auch die Geschäfte 
der Generaldirektion der Staatsbahnen zu führen hatte. Graf Badeni berief ihn dann als Sektions 
chef ins Ministerium des Innern. Schon damals erlangte er die Geheimratswürde. Nach dem Sturze 
des Grafen Thun, des Nachfolgers Badenis, trat er ins Kabinett Gautsch als Handelsminister ein, 
dem nachfolgenden Kabinett Clary gehörte er als Minister des Innern an. Nach dem kurzen Zwischen 
kabinett Wittek wurde er dann am 18. Januar 1900 zum Ministerpräsidenten und Minister des Innern 
ernannt. Als solcher versuchte er durch Verständigungskonferenzen zwischen Deutschböhmen und Tschechen, 
und als diese scheiterten, durch eigene Ausgleichsvorlagen den unheilvollen deutsch-tschechischen Streit
	        
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