Volltext: Der Völkerkrieg Band 6 (6 / 1916)

Die Ereignisse in Albanien und der serbisch-montenegrinische Einfall 237 
Jssa Boletin unterzeichnet, mit den Worten schloß: „Der Kalif hat den Heiligen Krieg 
erklärt, wir werden im Namen des Kalifen Rache nehmen. Wir kämpfen Schulter an 
Schulter mit den Verbündeten unseres Kalifen, mit Oesterreich-Ungarn." Anfangs De 
zember 1914 trafen dann militärische Vertrauensmänner des jungtürkischen Komitees sowie 
Sendboten des Scheich ül Islam in Albanien ein, um die nach Proklamierung des Heiligen 
Krieges entstandene Bewegung unter den mohammedanischen Albaniern zu leiten. Jssa 
Boletin sammelte eine Streitmacht, die gut bewaffnet war und auch über Artillerie ver 
fügte, um den Vormarsch gegen die serbische Grenze anzutreten. Effad Pascha aber suchte 
sich gegen die feindselige Bewegung, die auch im Inneren des Landes wegen seines Abfalls 
gegen ihn herrschte, dadurch zu schützen, daß er die Höhen von Rastbul, die die Straße 
von Tirana nach Durazzo beherrschen, von 900 Mann mit zwei Geschützen und zwei 
Maschinengewehren besetzen ließ. Italienische Schiffe sollen Anfang Januar 1915 den 
Vormarsch der Aufständischen gegen Durazzo mit ihren Geschützen zurückgeschlagen haben. 
Bereits Mitte Dezember 1914 fanden die ersten Einfälle der Albanier in serbisches 
Gebiet statt. Der Haupteinbruch erfolgte aber erst am 13. Februar 1915 unter Leitung 
der Dibrioten unter ihrem angesehenen und geschickten Führer Basri Bey. Von den 20000 
gut ausgerüsteten und ausgebildeten Kriegern überschritten zunächst 5000 den Drinfluß, 
vertrieben mit Hilfe ihrer Volks- und Stammesgenossen ohne viel Mühe die wenigen 
serbischen Beamten und schwachen Truppenabteilungen und waren schon nach zweimal 
24 Stunden im Norden bis auf 20 Kilometer an die Stadt Prisren und im Süden 
über Struga, das besetzt wurde, bis nach Ochrida vorgedrungen. Fünf Bataillonen und 
zwei Gebirgsbatterien, die den serbischen Grenztruppen zu Hilfe geschickt wurden, gelang 
es, die Albanier wieder über die Grenze zurückzutreiben und im Einverständnis mit 
Italien einige strategisch wichtige Plätze Nordalbaniens zu besetzen. 
Aus die Beschuldigung der serbischen Regierung, die Einfälle der Albanier seien aus 
Intrigen des österreichisch-ungarischen Generalkonsuls in Skutari zurückzuführen, ant 
wortete das Wiener K. u. K. Telegraphen-Korrespondenzdüro am 27. Februar 1915, 
die Behauptung sei nur erfunden, um eine Besetzung Nordalbaniens weiter zu rechtfertigen. 
Da Effad Pascha, der mit der sogenannten albanischen Regierung in Durazzo seinen 
Sitz hatte, fürchtete, daß die Aufständischen im Frühjahr auch gegen ihn sich erheben 
würden, ließ er Durazzo mit starken Feldbefestigungen versehen, bat Anfang März 1915 
Serbien und Montenegro um Ueberlassung sachkundiger Mannschaften zur Bedienung 
von Geschützen und erhielt auch aus Montenegro 20 Artilleristen, größtenteils Unter 
offiziere. Die Tatsache, daß Effad Pascha unter dem Bruch der Neutralität mit erbitterten 
Feinden Albaniens gemeinsame Sache machte, rief, wie die „Albanische Korrespondenz" 
am 11. März 1915 aus Skutari berichtete, im ganzen Lande große Entrüstung hervor, die 
sich noch steigerte, als Ende März 1915 bekannt wurde, Effad Pascha habe serbischen 
Unterhändlern in Durazzo vorgeschlagen, San Giovanni di Medua zum serbischen 
Handelshafen an der Adria zu machen; wenn Effad Pascha militärische Hilfe gegen 
seine Widersacher erhalte, werde sich die albanische Regierung verpflichten, einer Er 
hebung der Bevölkerung gegen Serbien entgegenzutreten. Die Aufständischen zogen aber 
mals vor Durazzo, das am 23. und 24. März 1915 von ihnen beschossen wurde. 
Als dann Effad Pascha Anfang Juni 1915 zum Schutze von den vor Durazzo liegenden 
Aufständischen die Besetzung des Hafens und der Regierungsgebäude in Durazzo durch 
italienisches Militär genehmigte, erreichte die Empörung ihren Höhepunkt. Die albani 
schen Notabeln in Durazzo überreichten den dortigen Vertretern der Großmächte ein 
Memorandum, in dem sie u. a. auch gegen die Auszahlung des unverzinslichen Dar 
lehens von fünf Millionen Franken von Seiten der italienischen Regierung an Effad 
Pascha, das Italien schon dem Fürsten v. Wied zugesichert hatte, Einspruch erhoben.
	        
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