Volltext: Der Völkerkrieg Band 6 (6 / 1916)

210 Rußland während des zweiten Kriegshalbjahres 
geschlagen worden. Das war eine Massenkonfiskation, wie fie seit den Tagen der fran 
zösischen Revolution in Europa nicht mehr dagewesen ist! Unberührt blieben zunächst 
nur die deutschen Bauernkolonien an der Wolga, in Sibirien, Mittelasien und einigen 
wenigen Gegenden Südrußlands. Man kann rechnen, daß von zwei Millionen kaum 
700000 ihr Eigentum behielten." 
Ueber die Deutschen-Verfolgungen in den baltischen Provinzen ist früher bereits be 
richtet worden, so II, S. 77; IV, S. 260; VI, S. 58; IX, S. 103 und 112, vgl. auch 
den Artikel: „Die deutsche Kultur der baltischen Ostseeprovinzen", S. 97 f. 
Maßnahmen gegen die Finnen 
Die Grundlagen für die staatlichen Beziehungen Rußlands zu Finnland sind beim 
Friedensschluß zwischen Rußland und Schweden am 17. September 1809 gelegt worden, 
als Finnland aus dem Besitz Schwedens in den von Rußland überging. Finnland be 
hielt damals seine Konstitution und der unbeschränkte Zar in Rußland war als Groß 
fürst in Finnland an das dortige Staatsgrundgesetz gebunden, ein Staatsgrundgesetz, 
entsprechend der Zeit mit maßvollen verständigen Freiheiten, das aber vor allem dem 
Lande eine klar durchgeführte Autonomie gegenüber dem autokratisch regierten Ruß 
land gewährte. Diese Rechte Finnlands hat alsdann jeder neue Zar von neuem als 
finnischer Großfürst beim Antritt seiner Herrschaft beschworen; so auch der jetzige Zar 
Nikolaus II. 
Das Bestreben der russischen Reaktion, nicht nur das erwachende politische Leben in 
Rußland selbst, sondern auch das auf festen Gesetzen und Grundlagen ruhende blühende 
politische Leben in Finnland zu unterdrücken, führte zum Konflikt, der 1899 mit einem 
russischen Staatsstreich begann. Zuerst war die russische Bürokratie in ihren Ueber- 
griffen noch vorsichtig, dann steigerte sich die Willkür von Jahr zu Jahr in immer un 
erträglicherer Weise. Die Verfassung Finnlands wurde langsam unterhöhlt und zer 
trümmert; die finnischen Beamten wurden beseitigt und durch russische Polizeimenschen 
verdrängt; an die Stelle der Gesetzlichkeit trat die Willkür, und die Korruption begann 
nach russischem Vorbild die ehrliche und reinliche finnische Verwaltung zu zersetzen. Der 
Henker Finnlands war der brutale russische Satrap Bobrikow; doch auch nach seiner 
Ermordung trat, trotz vorübergehender Besserung der Verhältnisse während der Revo 
lution, keine bleibende Aenderung in dem Regierungssystem der russischen Macht 
haber ein. In der zweiten Hälfte des November 1914 ist dann nach Meldungen des 
„Aftonbladet" ein umfassender und in allen Einzelheiten ausgearbeiteter kaiserlicher Mas 
veröffentlicht worden, durch den die Russifizierungsarbeit auf dem gesamten finnischen 
Verwaltungsgebiet abgeschlossen wurde. Unter anderem verfügt der Mas die Teilnahme 
Finnlands an den Ausgaben zur Verteidigung des Reiches, die Unterordnung der Lehr 
anstalten, auch der Alexander-Universität in Helsingfors, unter das russische Ministerium 
für Volksaufklärung, die Verhandlung aller Klagen über finnische Beamte und ihre 
Amtsführung vor den russischen Gerichten, die Erlassung gemeinsamer Gesetze für das 
Kaiserreich und Finnland, betr. die Preß-, Vereins- und Versammlungsfreiheit, ferner 
die Unifizierung des finnischen Zolltarifs und Münzsystems mit dem übrigen Rußland, 
und die Ordnung der Frage des Rechtes der eingeborenen Russen als finnländische 
Staatsbürger. Damit hatte Finnland aufgehört ein selbständiges Staatswesen zu sein. 
Ueber das Vorgehen des russischen Generalgouverneurs General Seyn, der u. a. die 
Briefzensur auch auf den gesamten inländischen Briefverkehr ausdehnte, ist schon früher 
berichtet worden (vgl. II, S. 77), ebenso über die Verbannung des Bezirksrichters 
Svinhufoud nach Sibirien (vgl. IV, S. 261). Hier sei nur noch auf den Protest Finn 
lands hingewiesen, der bereits Ende 1914 in den führenden Zeitungen Schwedens ver-
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.