Volltext: Der Völkerkrieg Band 6 (6 / 1916)

206 Rußland während des zweiten Kriegshalbjahres 
9. Juli 1915. 
Der Chef des Großen Generalstabs, General d. Inf. Bjeljajew, wurde zum Ge 
hilfen des Kriegsministers ernannt. 
General d. Inf. Bjeljajew ist zweiundfünfzig Jahre alt; er absolvierte die Akademie des 
Generalstabs und zu seinen Lehrern zählte auch sein neuer Vorgesetzter, Poliwanow, mit dem er 
seit Jahren in innigstem Verkehr steht. Dem Generalstab gehört Bjeljajew seit 18S7 an. 
15. Juli. 
Als Berater des Kriegsministers in Fragen des Kriegsbedarfs wurde der frühere 
Handelsminister Timaschew (vgl. S. 202) und der Führer der Oktobristen, der frühere 
Präsident der Duma, I. A. Gutschkow ernannt. 
18. Juli. 
Das Mitglied des Reichsrats, der Moskauer Adelsmarschall Ssamarin ist an 
Stelle des zurückgetretenen Kultusministers Ssabler zum Kultusminister und Ober 
prokurator des Heiligen Synods ernannt worden. 
„Herr Ssabler verdankte", wie der „Frankfurter Zeitung" von gut unterrichteter Seite geschrieben 
wurde, „als Prokurator des Hl. Synods mehr der Feindschaft der Linken, sowie den Einflüssen des 
allmächtigen Wunderbauern Rasputin seine langjährige unanfechtbare Stellung als seinen persönlichen 
Fähigkeiten; er verstand nur die Aeußerlichkeiten seines großen Vorgängers und Meisters Pobje- 
donoszews ohne besondere Begabung nachzuahmen." 
Ueber Ssamarin schreibt die „Birschewyja Wjedomosti": Ssamarin, der große Energie und die 
intimsten Beziehungen zu den Allerhöchsten und Hofkreisen besitzt, ist fanatisch dem Absolutismus 
ergeben und Gegner einer Verfassung wie eines Parlamentarismus nach europäischer Art. 
29. Juli 1915. 
Unterstaatssekretär Kulomsine, Mitglied des Reichsrates, ist zum Präsidenten 
des Reichsrates ernannt worden. 
Von den Mitgliedern des russtschen Ministerkabinetts find somit im Verlauf des 
ersten Halbjahres 1915 sechs gewechselt worden. Für den im Dezember 1914 ver 
storbenen Minister Kasso war Ende Januar 1915 Gras Jgnatiew als Minister des 
öffentlichen Unterrichts (der „Volksaufklärung") ernannt worden (vgl. IV, S. 249). An 
Stelle des Handelministers Timaschew trat Mitte März 1915 Fürst Schachowskij und 
an die Stelle des Ministers des Innern Maklakow Mitte Juni 1915 Fürst Schtscher- 
batow. Der Kriegsminister General Suchomlinow ist Ende Juli 1915 durch General 
Poliwanow ersetzt worden, der Justizminister Schtscheglowitow durch Chwostow und 
der Kultusminister Ssabler durch Ssamarin. Von den früheren Ministern blieben vor 
allem noch der Minister des Aeußeren Ssasonow, der Marineminister Gregorowitsch, 
der Finanzminister Bark und der Landwirtschaftsminister Kriwoschein. 
„Es ist echt russisch," schreibt die „Frankfurter Zeitung", „daß man diese Personal 
veränderungen nur nach und nach bekannt gab, und daß man sich erst dann zu einer 
amtlichen Veröffentlichung entschloß, wenn der Zar auch die Nachfolger der gestürzten 
Minister ernannt hatte. Der Eindruck eines Systemwechsels mußte um jeden Preis ver 
mieden werden. Einen Ministerrat nach westlichem Vorbilde, der eine gemeinsame Ver 
antwortlichkeit hätte, kennt die russische Staatsordnung nicht; jeder Minister ist nicht 
nur der Theorie nach mehr oder weniger unabhängig. Tatsächlich aber läuft das, was 
in Petersburg geschah, auf eine so gründliche Aenderung im Ministerium hinaus, daß 
es daneben wenig zu bedeuten hat, ob der alte Bürokrat Goremykin auch weiterhin seine 
Sinekure als Vorsitzender des Ministerrates inne hat, oder ob der Titel Herrn Kriwo 
schein, dem Landwirtschaftsminister, übertragen wird. Da dieser außer Herrn Ssasonow 
der einzige von den bedeutenderen Köpfen des bisherigen Ministerium ist, der im Amte 
verbleibt, so hat er auch ohne Titel die Stellung eines Führers."
	        
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